Das zweite Gesicht
ausgestrec k ten Ar m e schwer würden. Sie hielt die Hände frei über der Planchette und wartete darauf, etwas zu spüren. W är m e, Kälte, irgendetwas.
»Du m usst ei ne Frage stellen«, sagte He r m ann. »Laut in den Rau m .«
» W as für eine Frage?«
»Eine an Jula, natürlich.«
Chiaras Blick wanderte über d i e G e sichter d er a nderen. Die beiden Blondinen – sie war jetzt sicher, dass sie Prostituierte waren – hatten noch kein W ort gesagt, und ihre Anwesenheit ir r i tierte s i e. Die beiden Schauspieler, berauscht vom Kokain, aber be m erkenswert beherrscht; viel Erfahrung, ver m utete sie. Ursi, weiterhin todernst. Masken und Her m ann, als würden sie angespannt auf etwas warten. Zuletzt Lea, m it wachsa m en Augen, konzentriert und erwartungsvoll. Sie gab den Anstoß, ihr vertraute C hiara m ehr als allen anderen, obwohl sie sie kaum kann t e.
»Jula, wir sind hier, um m it dir zu sprechen«, sagte s i e und hatte das Gefühl, dass eines der ge m alten Gesichter an der W and die Stirn runzelte.
»Das ist keine Frage«, sagte die junge Schauspielerin. Her m ann warf ihr einen bösen Blick zu.
»Sei still«, wies ihr Freund sie zurecht.
Chiara sa gt e sich, d ass sie hier einfach eine Rolle zu spielen hatte, nichts sonst. Nur eine Rolle. »Kannst du uns hören ? «
Alle wandten den Blick von ihrem Gesicht hinab zu ihren Händen. Auf die goldene Spitze der Planchette, die darunter hervor ragte.
Nichts geschah.
»Jula, hörst du uns ? «
Sie fühlte nichts, kein Ziehen, kein D rücken.
»Mein Arm schläft ein«, sagte s i e, z u m einen, weil es d i e Wahrheit w ar, zum anderen, um den überernsten Her m ann zu reizen.
» W arte«, sagte er, ohne von ihren H änden aufzublicken. Chiara schüttelte den Kopf. »Das ist albern. Und ich bin
nicht so betrunken.«
»Die Finger spreizen«, sagte er.
Sie drückte ihre Finger noch weiter auseinander. Die Planchette bewe g t e sich.
»Jetzt«, flüsterte Ursi.
Chiaras Hände kribbelten. Das m us s te daran liegen, dass ihre Ar m e eingeschlafen waren. Ihre Finger waren so weit gespreizt, dass es fast wehtat, aber sie konnte jetzt nicht anders, als der Planchette zu folgen. Es war kein echt e r Sog, sie hätte die Hände zurückziehen können, aber sie ließ die Finger aus freien Stücken über dem Zeiger schweben, glitt m it ihm über die Mahagoniplatte, vorbei an der Reihe der Buchstaben, bis zu dem eingelegten JA.
»Sie sagt ja«, flüsterte das Mädchen an Maskens Seite, das erste Mal, dass sie überhaupt einen Ton von sich gab, seit sie Platz genommen hatten.
»Das sehen wir selbst«, sagte Lea ein wenig schnippischer, als nötig gewesen wäre. Aber sie alle standen jetzt unter einer Spannung, die vor zwei Minuten noch nicht zu spüren gewesen war.
Masken blieb skeptisch. »Chiara ? «
»Ich bin das nicht.«
»Frag sie was anderes«, s agte Ursi a u fgeregt.
Eine der Blondinen m achte e i n Geräusch, als m üsse sie sich übergeben. Chiara sah a u s dem Augenwinkel, dass sie sich m it beiden Händen den Bauch hielt. »Mir ist übel«, sagte die Frau.
»Dann raus hier!«, fuhr Her m ann sie an.
Die Blondine sprang auf und rannte aus dem Zimmer. Gleich darauf hörten sie d a s Schlagen der W o hnungstür. Ihre Freundin blieb sitzen, gefesselt von den Geschehnissen.
» W o bist du ? «, fragte C hiara.
Die Planchette schob sich m it einem Rascheln über das Holz, als würde sie von Insektenbeinen getragen. Her m ann s c hrieb die Buchsta b en auf einem Blatt Pa p i er m it. Der Stift kratzte wie ein Finger n agel.
HIER.
»Aha«, m a chte der junge Schauspieler, und nie m and wusste, ob er es sarkastisch m einte oder wirklich beeindruckt war.
» W as will si e da m it sag e n?«, fr agte Ursi. »Hier bei uns, oder hier bei ihr ? «
»Bist du bei uns im Z i m m er ? «, fragte Chiara. JA.
Sie unterdrückte ein Schaudern. »Erkennst du uns ? «
Die Planchette schob sich von einem Buchstaben zum nächsten.
CHIARA, schrieb sie.
»Nicht sc hl echt«, m ur m elte Lea, aber es k l ang so, als würde sie über einen gelungenen Trick sprechen, nicht über eine Geistererscheinung.
Chiara f röstelte. Vi e ll e icht hatte j e m and etwas in ihren Ch a m pagner ge m i scht.
»Frag sie schon«, verlangte Ursi.
» W as denn?«
» W as sie über dich denkt … in dem Fil m !«
Chiara verzog das Gesicht. » Ich s o ll einen Geist nach einem Film frage n ? Noch dazu nach eine m , der noch gar
nicht f e r tig ist?«
Lea lac
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