Das zweite Imperium der Menschheit
sie trotz der mutigen Worte zitterte.
Im Verlauf des nächsten halben Jahres nahm die Hitze weder zu noch ab.
Sie lastete über dem Tal, füllte den Raum zwischen den Ufern und drückte
auf die Köpfe der Siedler. Nur durch die Straßen der Siedlung wehte
Wind.
Jetzt hatten die Brennöfen auch farbig glasierte Steine geliefert. Das
Schwimmbad war fertig. Eine Treppe führte vom Rand der Siedlung hinunter
an den Fluss, der durch Klärbecken lief und sich in das große Bassin
ergoss.
Trotz der Belastung durch das Wissen, das durch zahllose weitere Beobachtungen
und Faktoren bereichert wurde, ließen die Siedler nicht davon ab, die
Einrichtungen ihrer Gemeinschaft weiter auszubauen. Ein Beweis für die
gute Arbeit, die Terra Center geliefert hatte, war, dass noch kein Führer
benötigt wurde, dass sich niemand gegen die notwendige Autorität einiger
Fachleute stemmte und dass bei allen Dingen, die mehr als drei Personen angingen,
klare Mehrheitsbeschlüsse galten.
In einem Fach des Versammlungshauses, das sich auf betonierten Stelzen über
die Stadt erhob, ruhte der einzige Gegenstand, der noch an das Schiff und die
Gruppe von fünf Wissenschaftlern erinnerte – das »Buch«;
ein einfacher, unverwüstlicher Textrecorder, dessen Energiespeicher mit
einer Handkurbel geladen wurde. Es handelte sich um die Chronik der Siedlung.
Jeder Tag wurde behandelt und geschildert. Der Chronist war ein junger Mann,
der erste »Reporter« der Siedlung.
Die Wochen und Monate verstrichen. Es geschahen alle Dinge, die geschehen mussten,
solange es Menschen gab. Männer fanden zu Mädchen; die ersten Kinder
wurden geboren. In jedem zweiten Haus wohnten junge Familien. Auch Hunde und
Rinder stolzierten mit Nachwuchs umher.
Bauern bestellten Äcker, die Adern der Bewässerung durchzogen die
Fläche vor der Stadt. Die Siedler hatten einen Bach umgeleitet, der eine
Mühle trieb, zu einem Teil die Kanalisation besorgte und zusammen mit einer
Quelle den Hochbehälter der Wasserversorgung füllte. Auch er war aus
wasserundurchlässigen Ziegeln erbaut worden.
Das erste Kind war eine kleine Sensation. Cyrill und Tonie, der Leiter der eisensuchenden
Trupps und die Ärztin, überraschten die gesamte Siedlung mit der Mitteilung,
ihr Neugeborenes habe schon Zähne. Natürlich wurden sie ausgelacht;
stundenlang kursierten Witze, die sich mit dem ungerechtfertigten Stolz junger
Eltern beschäftigten.
Dann sahen es die meisten Siedler. Jung-Cyril war die erste menschliche Mutation
dieses Planeten. Die Ärzte standen neben der Mutter, die Klein-Cyril auf
dem Arm hatte. Der Kleine sah ernsthaft auf die Köpfe der Männer,
bemerkte ihre Bärte und erschrak. Dann begann er zu schreien. Erst die
Mutter konnte ihn wieder beruhigen.
Er trug in seinem kleinen Mund keine echten Zähne. Sie sahen, dass es zwei
Reihen von winzigen Hornplatten waren, die schneeweiß aus dem Zahnfleisch
hervorlugten und nicht höher standen als einen Millimeter. Sie saßen,
soweit man feststellen konnte, auf einer Schicht substanzbildender Zellen, die
auf den Knochenleisten der Kiefer aufgebaut waren. Sie standen neben dem Kleinen,
den die Mutter in ein Leinentuch wickelte, als ein Mann hereinkeuchte. Schweiß
stand ihm auf der Stirn. Tonie kannte ihn. Sie hatte ihn wegen einer Geschwulst
behandeln müssen. Er wohnte im entgegengesetzten Sektor der Stadt. Aufgeregt
rief er:
»Tonie, rasch! Britt bekommt ihr Kind!«
Tonie gab den Kleinen ihrem Mann und lief mit den Ärzten dem Mann hinterher,
der über die Kieswege der Siedlung rannte. Sie wusste, dass hier jede Entbindung
ein kleines Problem sein konnte. Sie kamen zur rechten Zeit.
Tonie verließ das Zimmer und trat auf den Mann zu. Sie lächelte.
In der hellen Sonne sah der Vater des Kindes die Tränen in ihren Augenwinkeln
nicht.
»Was ist, Tonie, ein Junge?«
Tonie schüttelte langsam den Kopf. Der Mann wollte an ihr vorbei in das
andere Zimmer. Sie hielt ihn zurück. David hatte sich sehr auf seinen Sohn
gefreut. Er packte Tonie an den Schultern. Sie drehte ihren Kopf weg, als er
ihr in die Augen sah, und flüsterte:
»Dave! Du hast jetzt eine sehr große Verantwortung.«
»Welche? Warum sagst du nicht, was los ist?«
»Ich hoffe, dass du uns helfen wirst. Dein Kind ist nicht lebenstüchtig.
Es hat nie gelebt. Es starb noch vor der Geburt.«
»Ist das wahr?«, keuchte er.
»Ja. Eine Mutation nach der
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