Das Zweite Imperium
Lens-Träger. Vor vielen Zeitzyklen geriet ich in den Besitz eines Kristalls, der eine große Ähnlichkeit mit den roten Edelsteinen hat, die Sie uns gezeigt haben.«
»Aber Sie wissen nichts über die Herkunft dieses Edelsteins?«
»Leider nicht viel«, fuhr der Gedanke fort. »Ich habe das Gebilde auf dem Planeten erhalten, auf dem es gewachsen ist, aber leider erinnere ich mich weder an den Namen noch an die ungefähren Koordinaten. Wir befanden uns damals gerade auf einer Forschungsreise und hatten sehr viele Planeten besucht. Da wir an einer Sauerstoffwelt kein großes Interesse hatten, hielten wir uns nicht lange auf, und verzichteten auf eine kartographische Erfassung. Der Kristall interessierte mich jedoch, weil er das Licht auf eine ganz besondere Art und Weise aufnimmt und reflektiert. Eine wissenschaftliche Kuriosität.«
»Könnten Sie den Planeten wiederfinden?«
»Das sollte nicht allzu schwierig sein, wenn ich unsere damalige Reiseroute zurückverfolge und mich anhand der von uns erforschten Welten orientiere. Ja, ich bin sicher, daß ich den Planeten finden kann.«
»Ich glaube, damit können wir die Versammlung auflösen. Ich danke Ihnen allen. Nadreck, bitte halten Sie die Verbindung noch einen Augenblick.«
Der gigantische geistige Verbund löste sich, und als die beiden Lens-Träger allein waren, fuhr Kinnison fort: »Sie sind ein Lens-Träger Zweiter Ordnung, nicht wahr?«
»Ja, Mentor hat mir dabei Hilfestellung gegeben. Ein gewisses Projekt schien mir zu gefährlich zu sein, und ich fühlte mich zu schwach. Nach Mentors fortgeschrittenem Training ging es besser voran.«
»Ich verstehe.«
Aber er verstand ganz und gar nicht, da er bisher noch nicht mit einem Palainianer in Berührung gekommen war. Wie konnte ein Lens-Träger vor einer Aufgabe zurückschrecken, nur weil sie nicht ganz ungefährlich war? Das war ihm unverständlich. Lens-Träger ließen sich durch nichts aufhalten – hatte er angenommen. Er schien noch viel lernen zu müssen – unter anderem die Tatsache, daß andere Rassen eine andere Einstellung zu den Aufgaben der Patrouille und ihrer Organe hatten. Daß Nadreck ein LT2 war, deutete auf überragende Fähigkeiten hin, die auf anderen, ihm unbekannten Gebieten liegen mochten. Wie sollte er überdies wissen, ob er in den Augen anderer Lens-Träger nicht ebenso wunderlich war? Diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf, während er seine Antwort über die Lens ausstrahlte.
»Mir waren bisher nur Worsel von Velantia und Tregonsee von Rigel IV als Lens-Träger Zweiter Ordnung bekannt. Ich brauche nicht zu betonen, wie sehr ich mich freue, daß wir jetzt vier sind. Leider können wir unsere Bekanntschaft nicht sofort vertiefen, da Lonabar ein außerordentlich wichtiger Faktor in meiner Suche ist. Bitte finden Sie den Planeten so schnell wie möglich und schicken Sie mir die Daten ins Hauptquartier.«
»Ich werde den Planeten Lonabar kartographisch erfassen und Ihnen die Unterlagen auf der Erde persönlich überreichen. Haben Sie auch Interesse an Edelsteinen?«
»Nein«, erwiderte Kinnison. »Im Augenblick nicht. Bitte kündigen Sie Ihren Besuch über Haynes an. Vielen Dank und Raum-ho!«
Das Schiff raste weiter durch das All, und Kinnison vergrub sich noch tiefer in sein Problem. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, an der kleinen Feier teilzunehmen, die die Besatzung der
Dauntless
veranstaltete. Allerdings war er nicht recht bei der Sache. Er vermochte sich nicht restlos von seinen Grübeleien zu lösen, die darauf gerichtet waren, die vielen vorhandenen Anhaltspunkte zu einem passenden Bild zu vereinigen. Er lauschte nur mit halbem Ohr auf das bunte Treiben ringsum und wurde erst aufmerksam, als Illona Portier auf der improvisierten Bühne erschien und zu tanzen anfing.
Der lonabarische Kunsttanz unterschied sich sehr von der Ballettkunst auf der Erde, die im Vergleich geradezu dilettantisch wirkte. Ein irdischer Choreograph hätte auf Lonabar kaum als Anfänger gegolten, während man Illona durchaus als lonabarische Meistertänzerin bezeichnen konnte. Sie hatte auf Lonabar eine intensive Ausbildung genossen, die ihr trotz der bedrückenden gesellschaftlichen Verhältnisse sehr viel Freude gemacht hatte. Ihre Begegnung mit der größeren persönlichen Freiheit brachte nun ein völlig neues, persönliches Element in ihren Tanz, das zudem noch durch den begeisterten Applaus der Besatzung gefördert wurde, die den großen Versammlungsraum bis zum letzten Platz
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