Das Zweite Imperium
Gefahr für die
Dauntless
dar. Seine Ursprungsgeschwindigkeit entsprach der des arisischen Planeten, während das Schiff der Ursprungsgeschwindigkeit von Lyrane unterworfen war, wobei sich ein Unterschied von siebzig oder achtzig Kilometern in der Sekunde ergeben mochte. Wenn die
Dauntless
in den trägen Flug überging, konnte das harmlos aussehende Paket übergangslos zu einem tödlichen Meteoriten innerhalb des Schiffes werden. Bei dem Gedanken an die beiden Ursprungsgeschwindigkeiten hielt Kinnison inne. Das Netz war zwar für alle denkbaren Belastungen eingerichtet – aber war die Lens auch gut genug verpackt? Er mußte es darauf ankommen lassen.
Er wickelte das Paket in einige Stoffstreifen, umwickelte den Ballen mit federndem Drahtgeflecht und befestigte das Gebilde mit schweren Stahlfedern in einem Metallbehälter, den er dann mit Quecksilber füllte. Auf diese Weise gesichert, kam die Lens in den Kokonraum – in ein Gebilde, das nach allen Richtungen mit den besten und stärksten Erschütterungsabsorbern versehen war, die den Ingenieuren der Patrouille bekannt waren.
Auf Kinnisons Befehl ging die
Dauntless
in den trägen Flug über, und im Kokonraum wurden Geräusche laut, die an das Trampeln einer Elefantenherde erinnerten. Das eigentliche Päckchen hatte zwar nur ein Gewicht von kaum zweihundertundfünfzig Gramm – aber bei einer relativen Geschwindigkeit von siebzig Kilometern in der Sekunde besaß seine Masse eine nicht zu unterschätzende kinetische Energie.
Als das Päckchen schließlich nach einiger Zeit zur Ruhe gekommen war, kehrte die
Dauntless
in den trägheitslosen Zustand zurück, und Kinnison wickelte die jetzt ungefährliche Sendung aus; sie hatte nun die gleiche Ursprungsgeschwindigkeit wie das Schiff und seine Besatzung.
Der Freie Lens-Träger streifte ein Paar dicke Schutzhandschuhe über und öffnete das Paket, in dem, wie er es erwartet hatte, eine Lens eingebettet lag – Chris' Lens! Er säuberte sie vorsichtig und legte sie in ein strahlengeschütztes Kästchen. Von allen Millionen und Abermillionen intelligenten Lebewesen, die es im Universum gab, war Clarissa MacDougall die einzige, die das harmlos aussehende Juwel berühren konnte, ohne Schaden zu nehmen. Und erst mit ihrer Berührung konnte die Lens zum Leben erwachen, erst dann konnte sie den charakteristischen vielfarbigen Glanz ausstrahlen, der sie für andere wieder ungefährlich machte.
Wenig später kam ein anderes Patrouillenschiff in Sicht – doch diesmal waren die Vorbereitungen für das Rendezvous nicht so einfach. Mühsam paßten sich die beiden Schiffe in ihren Ursprungsgeschwindigkeiten an, ehe Clarissa MacDougall an Bord gehen konnte.
Kinnison war ihr nicht zur Luftschleuse entgegengekommen, sondern erwartete sie in seiner Kabine.
Auf die Einzelheiten ihrer Begrüßung soll hier nicht weiter eingegangen werden. Jedenfalls ist sicher, daß die Probleme der Patrouille in diesen ersten Minuten der Wiederbegegnung nicht an erster Stelle standen. Auch können wir die lange Diskussion übergehen, die wegen der Frage entbrannte, ob Clarissa ihre Aufgabe als Lens-Trägerin übernehmen konnte – eine Aufgabe, von der ihr Geschlecht bisher automatisch ausgeschlossen gewesen war. Wenn es dem Verfasser dieser Seiten gelungen ist, den Charakter der beiden Personen auch nur annähernd genau wiederzugeben, wird sich der Leser vorstellen können, wie die Auseinandersetzung verlief. Kinnison wollte ihr die Belastung nicht zumuten, sah jedoch keinen anderen Ausweg, während sie die Aufgabe aus ganz anderen Gründen nicht übernehmen wollte.
Er schüttelte die Lens aus ihrem Behälter und hielt das in ein dickes Isoliertuch gebettete Gerät dem Mädchen entgegen. Vorsichtig führte er ihren Zeigefinger über die graue Ellipse, die augenblicklich aufglühte, und legte ihr das Platin-Iridium-Band schließlich um den linken Arm.
Sekundenlang starrte sie das rhythmisch pulsierende, schimmernde Juwel an, das so plötzlich an ihrem Handgelenk zum Leben erwacht war, und sagte: »Es geht nicht, Kim, es geht einfach nicht. Ich bin zu schwach.«
»Wir alle sind im Grunde zu schwach, Chris – trotzdem müssen wir uns damit abfinden.«
»Natürlich, Kim, aber ich ... ich ... würde natürlich alles versuchen ... Aber du weißt sehr wohl, daß ich niemals eine richtige Lens-Trägerin sein kann.«
»Natürlich kannst du das! Wollen wir die ganze Diskussion noch einmal durchmachen? Du unterscheidest dich von anderen Lens-Trägern,
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