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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Großteil des Heeres aber wurde befohlen, auf den Schiffen zu bleiben und nach der englischen Flotte Ausschau zu halten.
    Am Nachmittag kam Etienne an Bord der Mora und machte Cædmon ausfindig. »Sie sind zurückgekommen. Und er schickt nach dir.«
    Cædmon nickte. »Warum so finster, Etienne? Gefällt dir nicht, was du bislang von England gesehen hast?«
    Etienne lächelte grimmig und sagte achselzuckend: »Du hattest vollkommen recht. Es sieht aus wie die Normandie. Nein, wenn ich finster dreinblicke, dann weil mein verehrter Vater sich blamiert hat. Stell dir vor, sie kamen zu Fuß zurück. Sie mußten die Pferde führen, das Gelände war zu unwegsam zum Reiten. Und der Herzog trug die Rüstung meines Vaters zusätzlich zu seiner eigenen auf den Schultern. Man könnte auch sagen, der wackere fitz Osbern hat unterwegs schlappgemacht …«
    Cædmon verkniff sich mit Mühe ein Grinsen. »Vielleicht sollte der wackere fitz Osbern sich bei Gelegenheit einmal ein paar Wochen in Jehan de Bellêmes Obhut begeben. Das verjüngt. Und macht schlank.«
    Etienne nickte seufzend. »Jetzt geh lieber. Er erwartet dich.«
     
    Cædmon fand den Herzog in Gesellschaft seiner beiden Halbbrüder und seiner engsten Vertrauten in der notdürftigen Festung. Sie saßen an einer langen Tafel und speisten. Der Duft von gebratenem Fisch stieg Cædmon verführerisch in die Nase – es war Freitag.
    Als er ihn am Eingang entdeckte, winkte der Herzog ihn mit seinem Speisemesser näher.
    »Kommt nur. Ich hoffe, man hat Euch und die übrigen auf der Mora angemessen gefüttert?«
    »Gewiß, Monseigneur«, log Cædmon. Sie hatten nur steinhartes Brot und wässrigen Wein bekommen.
    William nickte, verspeiste ein Stück Fisch – außen knusprig braun und innen schneeweiß –, kaute und schluckte, ehe er die Wachen anwies: »Bringt ihn herein.« An Cædmon gewandt fuhr er fort. »Ich muß Euchwieder einmal bitten, für mich zu übersetzen. Wir haben einen Mann aus dem Ort dort drüben mitgebracht, und ich möchte ihn ein paar Dinge fragen.«
    Cædmon verneigte sich wortlos und sah sich um, als er Schritte am Eingang hörte. Die beiden Wachen kehrten mit einem gefesselten Mann in einfachen, beinah zerlumpten Kleidern zurück. Cædmon hatte so lange keinen Bart mehr gesehen, daß er ihn einen Augenblick verwundert betrachtete. Hatte er sich auch geweigert, sich die Haare nach normannischer Sitte scheren zu lassen, folgte er in allen anderen Dingen doch normannischer Mode und trug weder Kinn- noch Schnurrbart, genau wie Wulfnoth.
    Die Wachen zerrten ihren Gefangenen vor den Herzog und versetzten ihm einen unsanften Stoß, so daß er auf den Knien landete.
    Der Mann stöhnte, es klang fast wie ein Schluchzen. »Bitte, tut mir nichts …«, flehte er atemlos. »Bitte, wer immer Ihr auch sein mögt, Mylord …«
    »Nimm dich zusammen«, riet Cædmon ruhig. »Das steigert deine Chancen, glaub mir.«
    Die zusammengesunkene Gestalt fuhr herum in die Richtung, aus der die verständlichen, wenn auch kühlen Worte kamen. »Gott, Ihr könnt mich verstehen? Wer sind diese Leute? Was … was wollen sie denn von mir …«
    »Fragt ihn, wie dieser Ort heißt«, fiel William dem Angelsachsen barsch ins Wort.
    Cædmon wiederholte die Frage auf englisch.
    Der Mann blinzelte verständnislos. »Pevensey. Unser Dorf heißt Pevensey.«
    Das verstand William ohne Übersetzung. »Fragt ihn, wo der nächste größere Hafen ist.«
    Cædmon fragte.
    »Ich … weiß nicht, ich kenne keinen Hafen. Ich … oh, mein Gott, laßt nicht zu, daß sie mich töten, ich flehe Euch an … Frau und Kinder …« Seine Furcht machte ihn vollkommen kopflos, er bekam keinen zusammenhängenden Satz mehr zustande.
    Auf ein Zeichen von William packte eine der Wachen den armen Wicht bei den Haaren und setzte ihm den Dolch an die Kehle. Der Mann wimmerte erstickt.
    Cædmon wandte sich an den Herzog. »Erlaubt Ihr, daß ich einen Momentmit ihm rede? Er ist nur ein einfacher Fischer, außer sich vor Angst.«
    William nickte unwillig und befahl dem Soldaten, von dem Gefangenen abzulassen.
    Cædmon sah auf die zusammengesunkene Gestalt hinab und schämte sich seines Landsmannes. »Kann ich ihm sagen, daß Ihr ihn leben laßt, wenn er vernünftig antwortet? Vielleicht hilft das.«
    »Meinetwegen. Wenn es nicht gar zu lange dauert.«
    Cædmon hockte sich vor den Mann und sprach leise auf ihn ein. Der Gefangene hörte auf zu beben, hob schließlich den Kopf und nickte scheu. »Hastings, Mylord. Vielleicht

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