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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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inzwischen eine Schlacht gegeben. Aber wie sie ausgegangen ist, weiß Gott allein.«
    Cædmon senkte den Kopf. Armes England, dachte er unglücklich. Was hast du nur verbrochen, daß du so schwer bedrängt wirst?
     
    Die Mora war zweifellos das prächtigste der rund vierhundertfünfzig Schiffe der normannischen Flotte. Herzogin Matilda hatte sie in aller Heimlichkeit bauen lassen und ihrem geliebten Gatten für sein großes Wagnis geschenkt.
    Die Hafenanlage von St. Valéry wimmelte wie ein Ameisenhaufen. Waffen, Rüstungen, Pferde und ebenso Wein und Vorräte wurden an Bord gebracht. Kurz vor Einbruch der Dämmerung schließlich wateten sie an Bord und stachen mit der Abendflut in See.
    Der Nachtwind war sehr frisch und böig. Pechschwarze Wolken hatten die Sterne verhüllt; die Signalfackel am Mast der Mora , die der Flotte den Weg weisen sollte, schien das einzige Licht der Welt zu sein. Cædmon saß während der ganzen Überfahrt mit dem Rücken an der Backbordwand und fürchtete sich. Der Ausgang seiner letzten Kanalüberquerung war ihm in allzu lebhafter Erinnerung. Welche Chance hätten sie, wenn sie mitten in der Nacht auf offener See sinken sollten?
    Doch die Mora machte gute Fahrt und trotzte dem tückischen Südwind beinah verächtlich, so schien es. Als der Morgen graute, stellte die Besatzung zu ihrer größten Bestürzung fest, daß sie trotz der Signalfackel offenbar allen anderen Schiffen davongesegelt war; sie waren vollkommen allein.
    Nur der Herzog zeigte keinerlei Beunruhigung. Er gab Befehl, den Anker zu werfen und eine ordentliche Mahlzeit anzurichten, die die Besatzung bei Laune halten sollte, während sie auf die Nachzügler warteten. Schließlich sahen sie achtern tatsächlich nach und nach die Schatten der nachfolgenden Schiffe auftauchen.
    Aber Cædmons Blick war unverwandt nach vorn gerichtet. Er stand immer noch backbord, abseits von den kleinen Gruppen Adliger und junger Ritter, und sah England unaufhaltsam näherrücken. Ein leichterNebel lag über dem Kanal und verhüllte die schroffen, weißen Klippen der Küste.
    Bald herrschte wieder Stille an Bord der Mora . Alle Männer spähten angestrengt aufs Wasser hinaus; wenn sie sprachen, dann nur im Flüsterton. Jeden Moment rechneten sie damit, die Schiffe der englischen Flotte aus dem Nebel auftauchen zu sehen. Keiner der normannischen Eroberer ahnte, daß die englische Flotte nach London berufen oder auf dem Weg dorthin vernichtet worden war.
    So kamen sie unangefochten an die Küste und fanden eine große Bucht mit einem seichten Strand, wo sie Anker warfen. Am Ostrand der Bucht lag ein verschlafenes Dorf. Cædmon sah blinzelnd hinüber, aber er konnte keine Menschenseele entdecken.
    Plötzlich hörte er neben sich einen Laut und wandte sich um.
    »Nun, was sagt Ihr, Cædmon?« fragte Herzog William. »Wo sind wir gelandet?«
    Der jüngere Mann schüttelte ratlos den Kopf. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, Monseigneur.«
    William hob gleichmütig die Schultern. »Dann laßt uns an Land gehen und es herausfinden.« Und mit diesen Worten sprang er von Bord. Doch als er auf dem feuchten Sand landete, strauchelte er und stürzte der Länge nach hin. Die Männer an der Reling zogen erschrocken die Luft ein.
    Aber William sprang sofort wieder auf die Füße, hob die sandverkrusteten Arme und rief lachend: »Seht nur, ich habe England mit beiden Händen in Besitz genommen!«
    Die Landung der großen Armee ging so reibungslos vonstatten, daß Cædmon zu dem Schluß kam, sie müsse bis ins letzte Detail genauestens geplant gewesen sein. Am späten Vormittag waren alle Schiffe bis auf zwei in die Bucht eingelaufen. Eines, erfuhren sie später, war zu weit nach Osten abgetrieben und in Romney gelandet. Die Einwohner der kleinen Stadt hatten nicht lange gefackelt und die Besatzung bis auf den letzten Mann getötet. Das zweite Schiff war offenbar gesunken, es tauchte nie wieder auf. Der Wahrsager des Herzogs war an Bord dieses Unglücksschiffes gewesen, doch William tat den Verlust mit einem ungeduldigen Wink ab. »Was taugt ein Wahrsager, der ausgerechnet das Schiff besteigt, welches dem Untergang geweiht ist?«
    Unweit des Strandes fanden sie die Ruine einer römischen Festung, und der Herzog gab Befehl, sie mit einem Erdwall zu verstärken und dort ein vorübergehendes Lager zu errichten. Nur begleitet von fünfundzwanzig seiner Ritter begab er sich auf einen Erkundungsritt. Ein zweiter Trupp zog aus, um Proviant zu beschaffen. Dem

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