Das zweite Königreich
ich auch. Darum sind die normannischen Adligen ganz versessen auf Ländereien in England.«
Eadwig atmete tief durch. »Nur gut, daß du so klug warst, dich auf die Seite des Königs zu stellen. Sonst wären wir Bettler wie Onkel Athelstan oder Onkel Ulfs Witwe.«
Cædmon wiegte den Kopf hin und her. »Wir werden noch sehen, ob ich so klug war. Jedenfalls bin ich jetzt ein Vasall des Königs.«
»Vasall?«
»So heißen die Männer, die ein Lehen halten. Und sollte es mir gelingen, irgendwann soviel Land anzuhäufen, daß ich es allein nicht mehr verwalten und selbst nicht mehr genug Soldaten stellen kann, um meine Seite des Abkommens zu erfüllen, steht es mir frei, meinerseits einen Teil meines Landes als Lehen zu vergeben. An dich, zum Beispiel. Du wärst dann ein Aftervasall.«
Eadwig prustete. »Vielen Dank, ich verzichte. Was für ein Wort!«
Cædmon grinste ihn an, hob die Hand und wies nach Süden. »Siehst du die Rauchfahnen? Das muß Blackmore sein. Es ist nicht mehr weit.« »Gott sei Dank. Mir tun alle Knochen weh. Ich hätte nichts gegen ein kühles Bier und ein weiches Bett.« Er trabte neben Cædmon an und kicherte vor sich hin. »Aftervasall, also wirklich …«
Sie verbrachten die Nacht in Blackmore, der südlichsten Ortschaft seines Lehens, und Cædmon suchte seine Tante Edith auf und lud sie zum wiederholten Male ein, mit ihren Kindern nach Helmsby zu kommen und dort zu leben. Sie lehnte zum wiederholten Male ab. Sie blieb höflich und verbindlich, aber Cædmon und Eadwig verstanden durchaus, daß sie lieber in einer ärmlichen Bauernkate in Blackmore einkärgliches Dasein fristen wollte, als mit dem normannisch gesinnten Thane of Helmsby und seiner normannischen Mutter unter einem Dach zu leben.
»Aber dein Geld hat sie angenommen«, bemerkte Eadwig bissig, als sie sich auf den Rückweg machten.
Cædmon hob seufzend die Schultern. »Du darfst ihr nicht böse sein, Eadwig. Onkel Ulf und zwei ihrer Söhne sind bei Hastings gefallen, und der König hat ihnen ihr Land genommen und es statt dessen mir gegeben. Es ist kein Wunder, daß sie die Normannen verabscheut. Und uns.«
Eadwig dachte darüber nach. Mit halbgeschlossenen Lidern sah er über die grünen Felder hinweg, seine langen Wimpern warfen kleine, halbmondförmige Schatten auf die Wangen, und mit einer ruckartigen Kopfbewegung warf er die langen Engelslocken über die Schulter zurück. »Schämst du dich, daß du ihr Land bekommen hast?«
Cædmon sah ihn überrascht an, nickte aber wahrheitsgemäß. »Ja.« »Aber du hättest es doch nicht ablehnen können. Der König wäre dir sicher böse gewesen.«
»Todsicher.«
Eadwig dachte immer noch nach und fragte dann schließlich: »Könntest du es ihr nicht zurückgeben? Oder ihrem Sohn. Könnte er nicht dein … du weißt schon … Aftervasall werden?«
»Ja, wenn sie klug genug wäre, ihre Stellung zu wahren und ihre verbliebenen zwei Söhne für so eine Aufgabe zu erziehen. Doch jetzt wachsen sie auf wie Bauern, darum wird daraus nichts werden, fürchte ich.« Aber sein Gewissen plagte ihn dennoch.
In einem weiten nordwestlichen Bogen ritten sie zurück zum Ufer des Ouse und kamen so schließlich nach Metcombe. Sie folgten der abschüssigen Gasse, die zwischen den neuen, recht großzügigen Katen hindurchführte, und hielten auf der Wiese vor der Mühle.
Der Müller kam zum Vorschein, als er den Hufschlag hörte, und Cædmon saß ab und streckte ihm die Hand entgegen. »Hengest.«
Der Mann betrachtete ihn wortlos, ließ den Blick über sein bartloses Gesicht und die normannischen Kleider gleiten, und seine Miene zeigte Ablehnung. Dann sah er ihm wieder in die Augen, Erkennen dämmerte, und er schlug lächelnd ein.
»Thane! Seid uns willkommen. Ihr müßt mir verzeihen, ich habe Euch viele Jahre nicht gesehen.«
Cædmon winkte ab und wies dann auf Eadwig. »Mein jüngster Bruder. Eadwig, das ist Hengest der Müller.«
Eadwig saß ab und gab dem Müller höflich die Hand.
»Wie geht es den Leuten von Metcombe?« fragte Cædmon, nachdem er der Einladung gefolgt war und sich auf der Bank vor der Tür zur Mühle niedergelassen hatte.
Hengest brachte drei hölzerne Becher mit gutem, dunklem Bier aus der Mühle und setzte sich zwischen sie.
»Seht euch um. Wir haben unsere Häuser wieder aufgebaut, wir hatten seit der Eroberung jedes Jahr eine reiche Ernte, Euer Vetter Alfred ist ein fairer Steward, der niemanden übers Ohr haut, und außerdem ist Frühling. Uns geht es
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