Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
fragte sie ungläubig.
    Er lächelte. »Warum nicht?«
    »Aber …« Sie brach ab und senkte den Kopf, ließ die langen, flachsblonden Haare absichtlich wieder vor ihr Gesicht gleiten.
    Er strich sie beiseite. »Aber was?«
    »Denkst du nicht, du solltest den Namen deinem Erben vorbehalten? Dem Sohn, den deine Frau dir eines Tages schenkt?«
    Er schnitt eine Grimasse. »Diese Frau gälte es erst einmal zu finden.« Und außerdem, erkannte er unter leisen Gewissensbissen, sollte ich je heiraten und einen Erben haben, wird er wohl eher einen normannischen Namen bekommen. »Hast du Einwände gegen Ælfric?«
    Sie lachte leise. »Einwände? Nein.«
    »Dann soll es so sein.« Er stand auf und streckte ihr die Hand entgegen. »Komm, laß uns in die Halle hinübergehen. Ich bin staubig und durstig.«
    Gytha rührte sich nicht. Ihre hellblauen Augen waren groß und unruhig.
    »Was ist?« fragte er ungeduldig. »Komm schon.«
    »Deine Mutter hat es verboten. Sie will mich nicht mehr in der Halle sehen, hat sie gesagt.«
    »Ah ja?« Er hob das Kinn, vermied es aber, irgendeine Regung zu zeigen. »Komm mit, Gytha«, wiederholte er, und sie erhob sich, ohne zu zögern, und streckte ihm das Kind entgegen. »Halt ihn einen Moment.«
    Cædmon nahm seinen Sohn unsicher in seine beiden großen Hände. Gytha schnürte ihren Kittel zu und lachte über seine Ungeschicklichkeit. »Hier, so mußt du ihn halten.« Sie stellte sich neben ihn und legte ihm sein Kind in die Arme.
    Cædmon mußte sich immer einschärfen, daß er keinen Grund hatte, sich vor seiner Mutter zu fürchten, damit es nicht passierte. Bevor er an ihre Tür klopfte, rief er sich ins Gedächtnis, daß er neunzehn Jahre alt und ein Ritter des Königs und Thane of Helmsby war, und wappnete sich für die eisige Feindseligkeit, die ihm entgegenschlagen würde.
    Ohne eine Aufforderung abzuwarten, zog er den Riegel zurück und trat ein.
    Marie de Falaise sah von ihrem Stickrahmen auf und blickte ihm unbewegt entgegen.
    Cædmon verneigte sich. »Ma mère. «
    »Willkommen daheim, Cædmon.« Sie lächelte nicht.
    »Danke.«
    Jedesmal, wenn er sie wiedersah, schien sie ihm verhärmter als beim Mal zuvor. Sie trug zu jeder Jahreszeit dunkle Kleidung, so daß man sie für eine Nonne hätte halten können. Das früher so frische Gesicht, dessen Ausdruck immer so schnell wechselte wie das Wetter im April, das der Spiegel ihres heftigen Temperaments gewesen war, war unnatürlich unbewegt und pergamentbleich geworden. Tiefe Furchen verliefen von ihren abwärts gezogenen Mundwinkeln zum Kinn hinab. Er wußte, warum. Er konnte sie sogar verstehen. Sie hatte ihren Mann mehr geliebt als jedes ihrer Kinder. Dunstans Verlust allein hätte sie überwinden können, aber Ælfrics Tod hatte sie bitter und unversöhnlich gemacht. Sie kam einfach nicht darüber hinweg. Er hatte ihr alle Zuversicht und Lebensfreude geraubt. Und Cædmon bedauerte sie aus tiefstem Herzen. Aber er hatte schon vor langer Zeit aufgehört, sich mit ihrem Unglück erpressen zu lassen.
    Er trat lächelnd näher. »Wie geht es Eadwig?«
    »Er erholt sich langsam.« Sie zuckte ungeduldig mit den Schultern. »Er war immer das kränklichste meiner Kinder.«
    Cædmon war verblüfft. Er konnte sich nicht erinnern, daß Eadwig früher je kränklich gewesen war, aber er ging nicht darauf ein. »Und wie geht es dir, Mutter? Wie gefällt dir dein neues Heim?«
    Sie schürzte verächtlich die Lippen. »Das fragst du? Nachdem du mich gezwungen hast, die alte Halle, mein Heim aufzugeben?«
    Er trat mit verschränkten Armen ans Fenster. Jetzt da die warme Jahreszeit angebrochen war, war die Pergamentbespannung entfernt worden, und wenn die Läden geöffnet waren, hatte man einen herrlichen Blick über den Wald und den Ouse. Aus den wenigen Fenstern derebenerdigen alten Halle hatte man nie etwas anderes gesehen als den schlammigen Innenhof und die dräuende Hecke.
    »Die Zeiten ändern sich. Ich bedaure, wenn du dich nicht heimisch fühlst. Aber es war der Wunsch des Königs, daß wir diese Burg bauen.« »Die Zeiten ändern sich«, stimmte sie kühl zu.
    Cædmon atmete tief durch und wandte sich ihr wieder zu. »Mutter, ein neuer Däneneinfall steht bevor. Deswegen hat der König mich heimgeschickt. Möglich, daß sie gleich den Humber hinaufsegeln, aber ebensogut kann es passieren, daß sie über unsere Küste herfallen. Wir sollten auf alles vorbereitet sein.«
    Sie nahm ihre Nadel wieder auf. »Was sollte es mich kümmern, wo die

Weitere Kostenlose Bücher