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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Normandie so viel Land erhoffen können, wie sie hier gewonnen hatten. Und gerade diese jüngeren Söhne waren es, die hier schon Wurzeln geschlagen hatten, ihr Land und alles, was darauf und darin war, ins Herz schlossen und sich damit identifizierten.
    »Wie war Ely?« fragte Etienne beiläufig.
    Cædmon schüttelte den Kopf. »Erschreckend in vielerlei Hinsicht. Aber das ist eine lange Geschichte, sie erfordert einen ruhigen Winkel, einen Krug Wein und Muße.«
    »Dann heute abend?«
    »Einverstanden.«
     
    Die Prinzen und die Knappen waren über Cædmons Rückkehr sichtlich erfreut, allen voran natürlich Eadwig, aber sie beschränkten sich auf einen respektvollen Gruß, ehe sie in einer perfekten Riege vorEtienne Aufstellung nahmen und begierig lauschten, als er ihnen ihre nächste Aufgabe erklärte. Es war nicht zu übersehen, daß sie ihn vergötterten – sie hingen förmlich an seinen Lippen.
    Die Magd brachte ein Tablett mit Bier und Honigkuchen. Cædmon nahm sich einen Krug, verzog sich in den herrlich kühlen Schatten der Buchen, die den Sandplatz umstanden, lehnte sich gemütlich an einen dicken Stamm und sah ihnen zu. Ohne jede Verwunderung stellte er fest, welch glückliche Hand Etienne mit den Jungen hatte. Er war kritisch und verlangte höchste Konzentration, aber er sparte nicht mit Lob, und seine Schüler holten das letzte aus sich heraus, um es sich zu verdienen. Es war ein beinah vergnügliches Schauspiel.
    »Natürlich seid ihr überlegen, wenn ihr gegen einen unberittenen Gegner kämpft, aber es birgt auch Gefahren. Welche?«
    »Wenn der Gegner mein Pferd fällt, bin ich in dem Moment, da ich mit ihm zu Boden gehe, nicht verteidigungsbereit«, antwortete Richard. »Ganz genau. Und das weiß auch dein Gegner, darum wird er auf jeden Fall versuchen, deinem Pferd das Schwert in Brust oder Kehle zu stoßen, ehe er dich auch nur eines Blickes würdigt.«
    »Hat mein Vater deswegen vier Pferde bei Hastings verloren?« wollte Rufus wissen.
    »Natürlich«, antwortete Etienne.
    »Es waren nur drei«, merkte Cædmon an. »Das vierte hat ihn bis zum Schluß getragen.«
    »Du hast recht«, stimmte Etienne zu. »So war’s … Was gibt es da zu tuscheln, Rufus? Laß uns teilhaben an deinen Gedanken.«
    Rufus sah auf und schüttelte den Kopf. »Nein, lieber nicht.«
    »Ich bestehe darauf.«
    Der Prinz zögerte einen Moment, dann hob er trotzig das Kinn. »Ich sagte, Cædmon müsse es wissen, er hat schließlich nur zugeschaut und hatte Muße zu zählen, wie viele Pferde mein Vater verlor.«
    Etienne war einen Moment verblüfft, dann wurde seine Miene finster. »Schon gut, Etienne«, kam Cædmon ihm zuvor. »Wo er recht hat, hat er recht.«
    Etienne stemmte die Hände in die Seiten und sagte warnend: »Du tätest gut daran, einem Ritter deines Vaters etwas mehr Respekt zu erweisen, Rufus.«
    Rufus’ ohnehin schon gerötete Wangen verdunkelten sich, und er schlug die Augen nieder. »Entschuldige, Cædmon.«
    Cædmon nickte, aber er dachte, daß es höchste Zeit wurde herauszufinden, welcher Teufel Rufus ritt, was aus dem fröhlichen, oft übermütigen Knaben einen so zornigen Jüngling gemacht hatte.
    »Zurück zur Sache«, sagte Etienne. »Wenn ihr also wißt, daß der Gegner es auf euer Pferd abgesehen hat, was tut ihr? Eadwig?«
    Eadwig dachte einen Moment nach. »Das beste wäre, ich erledige ihn, ehe mein Pferd in seine Reichweite kommt. Mit dem Wurfspieß oder der Schleuder.«
    »Das wäre richtig, wenn wir alle eine so glückliche, sichere Wurfhand hätten wie dein Bruder, der sich ja aber leider weigert, uns gewöhnliche Sterbliche in das Geheimnis seiner Treffsicherheit einzuweihen. Ich persönlich hege seit Jahren den Verdacht, daß er dem Teufel seine Seele dafür verkauft hat, und das hängt keiner gern an die große Glocke.« Die Jungen lachten, und Cædmon bedachte seinen Freund mit einem trägen Grinsen.
    »Nein, Eadwig, das ist keine Lösung für unser Problem, Wurfspieß und Schleuder sind zu unsicher. Was tust du, wenn du ihn verfehlst? Was, wenn mehr als einer dich angreift?«
    »Ich weiß nicht. Was kann ich schon tun?«
    »Versuchen, ihm möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Laß ihn nie frontal an dich heran, denn an Hals und Brust ist dein Pferd am verwundbarsten. Presch auf ihn zu, daß er es mit der Angst zu tun bekommt, aber wende nach links, ehe du ihn erreichst, so daß du ihn auf deiner Schwertseite hast, und dann bist du ihm nahe genug, um ihn von oben anzugreifen, über

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