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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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konnte, trat Leif zu ihnen und verneigte sich höflich. »Cædmon, der König bittet Euch zu sich.«
    Cædmon erhob sich eilig, erleichtert, diesem vertraulichen Gespräch zu entkommen. »Entschuldige, Etienne.«
    »Natürlich.«
    Cædmon folgte dem jungen Dänen zur Stirnseite der Halle. Der König hatte sich von der Tafel erhoben und stand mit einer kleinen Gruppe zusammen nahe der Tür. Im diffusen, zuckenden Lichtschein einer Öllampe erkannte Cædmon Roland Baynard, und so war er vorgewarnt, als der König sagte: »Cædmon, ich nehme an, Ihr kennt Ralph Baynard, den Befehlshaber der Londoner Miliz?«
    Cædmon verneigte sich vor dem großen, hageren Mann, der zu seiner Überraschung einen kurzen Bart trug, wie ein Angelsachse von Rang. »Es ist mir eine Ehre, Monseigneur.«
    Baynard nickte und betrachtete ihn mit unverhohlenem Interesse. »Mein Sohn hat mir viel Gutes von Euch berichtet, Thane.«
    Cædmon wechselte beinah wider Willen ein Grinsen mit Roland undbemerkte lächelnd: »Es ist eine von Rolands einnehmendsten Gaben, daß er über beinah jeden etwas Gutes zu sagen findet.«
    Baynard lachte leise, wandte sich um und streckte die Hand aus. »Komm her, Beatrice.«
    Ein zierliches, kleines Wesen trat an seine Seite, und als zwei schmale, schneeweiße Hände die weite Kapuze zurückstreiften, enthüllten sie einen dichten Schopf weißblonder Haare und ein ebenmäßiges Mädchengesicht mit einem Paar fesselnder, tiefblauer Augen. Der schmale Mund lächelte nicht, und sie senkte den Blick, als sie in den schwachen Lichtschein trat. Selbst ihre Wimpern waren hellblond, so daß man sie auf den ersten Blick kaum sehen konnte.
    »Ich würde Euch gern meine Tochter vorstellen, Thane«, sagte Baynard. Zufriedener Besitzerstolz lag in seinem Ausdruck, so als zeige er ihnen ein ausnehmend kostbares Schlachtroß.
    Cædmon verneigte sich. »Ich freue mich, Euch endlich kennenzulernen, Beatrice.« Er fühlte sich hölzern. Dieser blonde Engel wird also meine Frau, dachte er ungläubig. Beiläufig nahm er wahr, daß Roland neben ihm stand und grinste wie ein Schwachkopf.
    Beatrice Baynard neigte huldvoll das Haupt. »Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Thane«, hauchte sie beinah unhörbar. Sie sah ihm immer noch nicht in die Augen. Vermutlich ist sie zu Tode verängstigt, dachte Cædmon mitfühlend.
    »Baynard und ich wollen morgen zur Falkenjagd, Cædmon«, bemerkte der König. »Wollt Ihr uns begleiten?«
    Cædmon wollte nichts weniger. Er wollte den morgigen Tag mit seinem Bruder und den Prinzen und Etienne verbringen und sehnsuchtsvoll auf eine Nachricht von Aliesa warten. Er mußte sie dringend sprechen. Er hatte gesehen und gespürt, daß sie in Not war, und er sehnte sich mit jeder Faser danach, bei ihr zu sein. Aber sein »Mit Vergnügen, Sire« war heraus, noch ehe er einen klaren Gedanken gefaßt hatte.
    »Reiten Engländer zur Falkenjagd?« fragte Beatrice mit unverändert leiser Stimme. »Ich war der Auffassung, sie jagen mit Eschenspeeren oder bloßen Händen und bemalen sich zu dem Anlaß mit blauer Farbe.« Cædmon betrachtete seine Braut mit ganz neuem Interesse. »Wenn Ihr das glaubt, Madame, dann habt Ihr viel zu lernen.«
    Sie lächelte, ob höhnisch oder spitzbübisch, konnte er nicht entscheiden. »Ich brenne darauf«, sagte sie.
    Cædmon verneigte sich. »Also dann, auf morgen.«
    Die Jagdgesellschaft war überschaubar: der König, die Königin, Richard und Rufus, fitz Osbern, Warenne und Montgomery und einige hochgestellte Angehörige des königlichen Haushalts wie der Chamberlain und der Constable, die Gäste aus London und eine Handvoll jüngerer Ritter. Ihnen folgte eine Schar Falkner mit den Vögeln. Aliesa war nicht mitgeritten.
    »Sie wollte eigentlich«, vertraute Etienne Cædmon und Roland an. »Aber ich finde, es ist zu gefährlich. Was, wenn sie stürzt? Wirklich, manchmal ist sie uneinsichtig wie ein Kind. Ich habe es verboten, und jetzt zürnt sie mir.«
    Roland lachte. »Solche Geschichten solltest du Cædmon nicht gerade heute erzählen. Er findet ja so schon keinen Mut, sich zu meiner Schwester zu gesellen.«
    Cædmon rang derweil mit einem bestürzend heftigen Drang, seinem besten Freund die Zähne einzuschlagen. Vielleicht benimmt sie sich deshalb wie ein Kind, weil du sie so behandelst, dachte er verächtlich. Aber es war Roland, an den er sich wandte. »Ich werde schon zu ihr reiten, wart’s ab. Sobald ich meine Verblüffung überwunden habe.«
    »Verblüffung worüber?«

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