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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Geschenk, dachte er bewundernd. Er wußte, Etienne und sein Bruder standen sich nahe, aber er mußte die Großzügigkeit des ältesten fitz Osbern-Sohnes bewundern. Und er spürte einen kleinen eifersüchtigen Stich. Wie sehr hätte er sich gewünscht, sein ältester Bruder hätte ihn je eines solchen Geschenks für würdig befunden. Aber Dunstans Geschenke waren von ganz anderer Art …
    »Du bist zu beneiden, Etienne.«
    Etienne lächelte breit. »Ich weiß. Also? Was sagst du zu zwei Pfund?« »Ich sage nein. Du weißt genau, daß der König über dieses alberne Spiel die Stirn runzelt.«
    »Ach was!« Etienne lachte unbeschwert. »Komm schon. Zier dich nicht. Oder hast du Bedenken, daß du meinen lombardischen Helden schlagen kannst?«
    Cædmon betrachtete den Vogel eingehend. Zwei Pfund waren sehr viel Geld. Etwa die Summe, die Helmsby mit dem Verkauf von Molkereiprodukten jährlich auf dem Markt in Norwich verdiente. Es war ein waghalsiger Wetteinsatz …
    »Meinetwegen.«
    »Zwei Pfund gegen dich, Etienne«, sagte Roland prompt, legte die Hand an seinen Geldbeutel am Gürtel und ließ ihn klimpern.
    Etienne nickte ungerührt. »Bitte, wenn du dich mit Cædmon ins Verderben stürzen willst, halte ich auch deine Wette.«
    Beatrice sah verständnislos von einem zum anderen. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Wart’s ab«, riet ihr Bruder.
    Wie alle Dinge des gesellschaftlichen Lebens war natürlich auch die Jagdfolge bei den Normannen strikt geregelt. Die erste Beute gebührte dem König, der das Privileg galant an die Königin abtrat. Matildas Sperber erlegte mit schier atemberaubendem Geschick einen jungen, pfeilschnellen Hasen. So unberechenbar seine Haken auch waren, der Sperber war schneller. Er schlug seine Beute, stieg wieder auf, flatterte einen Augenblick triumphal in geringer Höhe und kehrte folgsam auf den Arm seiner Herrin zurück. Matilda gab ihm sein Zieget – ein Fleischbröckchen zur Belohnung –, während der Falkner den geschlagenen Hasen aufhob und hochhielt. Die Jagdgesellschaft applaudierte. Schließlich kam Etienne an die Reihe. Er wechselte einen Blick mit Cædmon, der ihm zunickte.
    Wieder streiften die Falkner durchs hohe Gras. Nicht lange, und eine braungefleckte Fasanenhenne stieg unter verschrecktem Geflatter aus ihrem sicheren Versteck auf. Als Etienne ihren empörten Schrei hörte, riß er dem Falken die Haube vom Kopf und ließ sein behandschuhtes Gelenk in die Luft schnellen. Im selben Moment zog Cædmon die Schleuder aus dem Gürtel.
    Der Flug der Henne war tölpelhaft und träge; sie hatte keine Chance gegen den pfeilschnellen Vogel. Er folgte ihr in einer Höhe von vielleicht zwanzig Ellen, schien einen Augenblick in der Luft stillzustehen und ihren Landewinkel vorauszuberechnen, dann stieß er mit einem schrillen, grausamen Triumphschrei herab.
    Die Schleuder sang, der rundliche Stein von der Größe einer Kinderfaust schoß heraus, traf das fliehende Beutetier am Kopf und zerschmetterte den dünnen Vogelschädel. Der Falke sah den unerwarteten Konkurrenten von der Seite kommen, bremste in vollkommener Verwirrung seinen Sturzflug kurz vor dem anvisierten Ziel ab, geriet ins Trudeln und landete unter fliegenden Federn und ohne alle Grazie im Gras.
    Die Jagdgesellschaft lachte ausgelassen – nur der König runzelte mißfällig die Stirn, genau wie Cædmon vorausgesagt hatte.
    Mit hochrotem Kopf fing der Falkner der fitz Osberns den in Schande geratenen lombardischen Vogel ein, und Etienne schüttelte in fassungsloser Verärgerung den Kopf, während er seine bestickte Börse aufschnürte und seine Wettschulden beglich. »Also ehrlich, Cædmon«, grollte er leise. »Manchmal graut mir vor dir.«
    Cædmon steckte zufrieden seinen Gewinn ein. »Du wolltest es ja unbedingt so haben.«
    »Ja, ja. Nicht nötig, Salz in meine Wunden zu streuen …«
    Roland, der ebenfalls um zwei Pfund reicher geworden war, grinste breit. »Das hätt’ ich dir vorher sagen können, Etienne.«
    Beatrice betrachtete ihren Bräutigam mit verächtlichem Befremden.
     
    Neben Sommergemüse, frischem Weizenbrot und fetten Schweinepasteten gab es in der Halle an diesem Abend reichlich Kleinwild. Etienne bemängelte allerdings, der Fasan habe einen durchdringenden, schwefelartigen Beigeschmack, der unzweifelhaft auf die dubiosen Methoden zurückzuführen sei, mit denen Cædmon ihn erlegt habe.
    Cædmon aß, trank, lachte über Etiennes anhaltende Verstimmung und versuchte nach Kräften, eine Unterhaltung mit

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