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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Aliesa und Lucien betraten wie aufs Stichwort Arm in Arm die Halle.
    »Wie sie sich gleichen«, raunte Etienne. »Dabei könnten sie unterschiedlicher kaum sein. Der Finsterling und das Lichtwesen.«
    Die Zwillinge traten an den Tisch. Cædmon und Etienne erhoben sich, Etienne ergriff die Hand seiner Frau und legte sie einen Moment an seine Wange.
    Cædmon beobachtete sie mit einem, wie er hoffte, höflich distanzierten Lächeln, aber jedesmal wenn er sah, wie gesund und strahlend sie wieder war, jubilierte sein Herz.
    Aliesa streifte ihn nur mit einem von gesenkten Lidern verschleierten Blick, legte Etienne die Hände auf die Schultern und küßte ihn auf die Wange. »Wie fühlst du dich, mon ami? «
    Etienne atmete tief durch. »Gut. Vielleicht besser als der Anstand zuläßt. Aber was soll ich tun? Ich bin ein glücklicher Mann.«

Belsar’s Hills, Juni 1071
    »Ja, jetzt verstehe ich, warum Hereward sich ausgerechnet in Ely eingenistet hat«, sagte Prinz Richard in eine lange Stille hinein. »Ich kann mir keine unzugänglichere Gegend vorstellen.«
    Sie standen auf der Kuppe eines kreisrunden Erdwalls, in dessen Schutz das normannische Heer lagerte. Doch diese Befestigung hatten ausnahmsweise nicht die Normannen aufgeschüttet. Sie erhob sich seit Menschengedenken über der flachen Moorlandschaft, war das Überbleibsel einer Verteidigungsanlage oder heidnischen Kultstätte aus grauer Vorzeit, und die Leute in den Fens nannten sie aus unbekannten Gründen »Belsar’s Hills«.
    »Der Untergrund sieht gar nicht so schlecht aus«, meinte Etienne optimistisch.
    Cædmon schüttelte seufzend den Kopf. »Nein. Bis man einen Fuß daraufstellt und bis zur Hüfte einsinkt, ehe man sich’s versieht.«
    »Ich kann kaum glauben, was du sagst.«
    »Dann versuch’s. Aber binde dir ein Seil um und gib mir das lose Ende.«
    »Schluß mit dem Unsinn«, knurrte der König. »Die Männer sollen mit der Arbeit beginnen. Lucien, Ihr habt die Oberaufsicht über die Bauarbeiten.«
    »Ja, Sire.«
    »Richard, Rufus, ihr kommt mit mir.« Der König wandte sich ab, und seine Söhne folgten ihm.
    Lucien sah ihnen einen Moment nach, ehe er wieder aufs Moor hinausstarrte. Die Welt zu ihren Füßen lag geradezu unheimlich still unter den tiefhängenden Wolken. Die Fens erstreckten sich bis zum Horizont. Die einzige Erhebung, die sich in der Ferne ausmachen ließ, war die Klosterinsel. Nichts war zu hören bis auf den gelegentlichenschwermütigen Ruf eines Vogels und das unheilvolle Gurgeln und Schmatzen der Sümpfe. Selbst der Ouse, der ein kleines Stück nördlich von Belsar’s Hills floß, war hier stumm. »Was für eine gottlose Gegend«, murmelte Lucien.
    »Aber, aber«, mahnte Etienne. »Du mußt dir einfach mehr Mühe geben, East Anglia zu lieben. Immerhin ist es jetzt deine Heimat.«
    »Ja, du kannst spotten, Schwager«, stieß Lucien wütend hervor. »Ein fitz Osbern muß niemals fürchten, mit einem Lehen in dieser Ödnis beglückt zu werden.«
    »Tja, wir werden wohl noch sehen, was der Name wert ist«, erwiderte Etienne mit einem unbehaglichen Schulterzucken. »So sehr der König meinen Vater auch geschätzt haben mag, hat er offenbar nicht die Absicht, dieses Vertrauen auf einen meiner Brüder, geschweige denn auf mich zu übertragen. Jedenfalls hat er das Angebot meines Bruders Guillaume, nach England zu kommen, sehr kühl zurückgewiesen.«
    »Ihr seid ihm zu jung«, mutmaßte Cædmon.
    Etienne nickte. »Mag sein. Auf jeden Fall ist mein Bruder gekränkt.« »Er sollte froh sein, daß er daheim in der Normandie bleiben kann, statt hier im Moor zu stecken«, murmelte Lucien sehnsuchtsvoll.
    Cædmon unterdrückte ein Grinsen. »Ich verstehe nicht, daß ihr ansonsten so unerschrockenen Normannen vor so ein bißchen Schlamm verzagt. Aber du bist nicht der einzige. Beatrice Baynard kann East Anglia auch nichts abgewinnen.«
    Etienne gluckste. »Das wird dich nicht davor retten, sie heiraten zu müssen.«
    »Ja, Etienne hat recht«, bemerkte Lucien kritisch. »Es ist geradezu schändlich, wie du sie verschmähst, Cædmon. Wann heiratet ihr endlich?«
    »Wenn ihr Vater die Mitgift erhöht.«
    »Aber das hat er doch schon.«
    »Du bist erstaunlich gut informiert, Lucien.«
    »Was willst du denn noch?«
    Cædmon wandte verlegen den Blick ab. »Heirate du sie doch. Ihr habt viel gemeinsam, wirklich. Euren Haß auf England und die Engländer, zum Beispiel.«
    »Ich würde es lieber heute als morgen tun, glaub mir«, eröffnete Lucien ihm

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