Das zweite Königreich
König und zwei Prinzen verliert.«
»Wir bleiben«, knurrte William. »Und wenn es nicht zu regnen beginnt, ehe das Feuer die Grasinsel da vorn mit dem Reihernest erreicht, werden wir wissen, daß Cædmons Bein unzuverlässige Prognosen abgibt, und ihn davon befreien!«
Großartig, dachte Cædmon und biß die Zähne zusammen. Erst meine Zunge in Berkhamstead, dann meine Hand in Penistone, jetzt in Ely mein Bein. Ein wahres Wunder, daß Cædmon of Helmsby nicht längst ein stummer Torso ist …
Etwas traf seine Nase, und er streckte die Hände aus. Erleichtert verkündete er: »Es regnet, Sire.«
William folgte seinem Beispiel und hob die linke Hand. »Ich würde sagen, es tröpfelt, Cædmon.«
Wieder prasselten Pfeile und Steine auf sie nieder, dann erhob sich eine kräftige Bö, die das Feuer im Schilf weiter anfachte und ein weiteres halbes Dutzend Männer in Panik versetzte. Vier stürzten schreiend in die Sümpfe. Dann öffnete der Himmel seine Schleusen.
Der König atmete sichtlich auf und bedachte Cædmon mit einem beinah spitzbübischen Grinsen. Hinter den Torfwällen am Ufer erhoben sich Stimmen im Protest.
»Ihr habt den Angriff so geplant, daß wir bei Regen hier ankommen, weil Ihr gewußt habt, was dieser Teufel Hereward ausheckte?« fragte Robert den König ungläubig.
William hob kurz die Schultern. »Er ist schließlich kein Dummkopf. Ich habe mich gefragt, was ich in seiner Situation tun würde. Wo bleiben meine Bogenschützen?«
Fünfzig Mann mit Bögen und prall gefüllten Köchern rückten vor und schossen ihre Pfeile auf Williams Geheiß in einem solchen Winkel in die Luft, daß sie unmittelbar hinter den Torfwällen niedergehen mußten. Bald hörte man Schreie und ein unheimliches, wütendes Zischen von dort. Ein paar der Verteidiger verloren den Kopf, kamen hinter den Wällen hervor und wurden abgeschossen wie Hasen.
William nickte zufrieden. »Mehr Flöße her. Los, beeilt euch. Verlängert die Brücke bis zum Ufer. Die Bogenschützen bleiben hier und geben uns Deckung. Wir gehen an Land.«
Beinah hundert Mann starben bei der Überquerung der Sümpfe, aber der Damm hatte seinen Zweck erfüllt. Eine Armee von immer nochneunhundert perfekt geschulten und ausgerüsteten Kämpfern landete bei Einbruch der Dunkelheit auf der Klosterinsel. Die Verteidiger, die noch am Ufer aushielten, wurden überwältigt und niedergemetzelt. Dann wälzte das Heer sich wie ein gefräßiger, todbringender Wurm nach Nordosten, wo das Kloster lag. Drei Dörfer, die sie unterwegs passierten, wurden in Schutt und Asche gelegt. Die Klosterpforte fiel nach wenigen Schlägen des kleinen, tragbaren Rammbocks, den die Nachhut mitgebracht hatte. William befahl den Prinzen und Knappen, außerhalb der Klostermauern zu bleiben, und stellte zwei Dutzend Männer der Leibgarde zu ihrem Schutz ab, ehe er als erster über die Schwelle der geborstenen Pforte stürmte.
Herewards Anhängerschaft war im Verlauf des Jahres, seit Cædmon hier gewesen war und sie gezählt hatte, tatsächlich enorm gewachsen, genau wie die Gerüchte besagt hatten. Aber selbst zusammen mit den Mönchen des Klosters, die für die Verteidigung der letzten angelsächsischen Helden zu den Waffen griffen, machte ihre Zahl doch höchstens zwei Drittel der königlichen Armee aus.
»Schont die Mönche und macht so viele Gefangene wie möglich«, hatte der König befohlen, ehe sie das Tor nahmen. »Vor allem Hereward will ich lebend.«
Es wurde dennoch ein grauenvolles Gemetzel.
Cædmon stand etwa in der Mitte des Klosterhofs, sah nicht nach rechts und links, gestattete sich nicht, darüber nachzudenken, was hier geschah, und kämpfte so beharrlich, unermüdlich und vor allem unerbittlich wie eine von Williams Belagerungsmaschinen.
Wie immer behielt er den König im Auge und folgte den unberechenbaren Haken, die dieser schlug, so gut wie möglich. Trotz des prasselnden Regens gingen die hölzernen Gebäude bald in Flammen auf, und der Innenhof war in gespenstischen, flackernden Feuerschein getaucht – »Kriegslicht« hatte Jehan de Bellême es genannt. Es machte die Nacht hell genug, daß Cædmon das Kampffieber in den schwarzen Augen des Königs glühen sah.
»Wir haben den Abt!« brüllten euphorische Stimmen, die vom Kirchenportal zu kommen schienen. »Wir haben Abt Thurstan!«
»Fesselt ihn und bewacht ihn und behandelt ihn mit Respekt!« rief der König über die Schulter, und als sein Blick auf Lucien fiel, nickte er ihm zu und befahl: »Geht
Weitere Kostenlose Bücher