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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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werden so bald nichtwiederkommen. Und die Banditen auf englischen Straßen leben in solchem Schrecken vor dem König, daß ein Kaufmann unbewaffnet mit seinen Schätzen von York nach Canterbury reisen kann, ohne behelligt zu werden. Dein Vater herrscht noch keine fünf Jahre über England, aber er hat das geschafft, was kein angelsächsischer König in den letzten zweihundert Jahren fertiggebracht hat: sichere Küsten und innere Ordnung.«
    Richard schwieg lange. Schließlich schüttelte er seufzend den Kopf. »Ich muß darüber nachdenken. So habe ich die Dinge noch nie betrachtet. Trotzdem, mir ist unbegreiflich, wie du ihn lieben kannst, ausgerechnet du! Du bist doch Engländer. Macht es dir denn gar nichts aus, was mit deinem Bruder geschieht, wenn wir in Ely einmarschieren?«
    »Dunstan? Glaub mir, er hat alles verdient, was er bekommen mag. Nein, um diesen Bruder werde ich keine Tränen vergießen. Aber ich will dir nichts vormachen, Richard. Du warst absolut offen zu mir, also bin ich es zu dir, das ist nur fair. Ich liebe den König nicht. Manchmal bewundere ich ihn. Oft bin ich wütend auf ihn. Und noch öfter jagt er mir eine Heidenangst ein.«
    »Ist das wirklich wahr?« fragte der Junge verblüfft. »Dann geht es dir genau wie mir!«
    »Nur darfst du eins nicht vergessen: Er war König Edwards Cousin, und Edward hatte ihn zum Nachfolger bestimmt. Harold Godwinson … selbst wenn wir seinen Eidbruch außer acht lassen, war er doch nur durch die Heirat seiner Schwester mit dem Königshaus verbunden, ihm stand die Krone nicht zu. Edgar Ætheling ist ein schwacher Charakter, darum hätte Edward ihn niemals als Nachfolger erwählt. Dein Vater hatte ein Anrecht auf den Thron.«
    »Das gibt ihm nicht das Recht, die Engländer zu unterjochen, wie er es tut.«
    »Nein.«
    Richard atmete tief durch. »Ich bin froh, daß du zu meinem Vater stehst und mein Lehrer bist, Cædmon, aber wenn ich ehrlich bin, frage ich mich manchmal, warum du nicht auf der anderen Seite der Sümpfe bist. Bei Hereward und Morcar.«
    Cædmon legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihm in die Augen. »Weil ich an die Zukunft denke, Richard.«
    Anfang Juli war der Damm endlich fertig, und das Wetter schlug um. Ein kühler Wind erhob sich, und die Männer waren erleichtert, daß es mit der drückenden Schwüle und den blutgierigen Mücken ein Ende hatte. Der König erteilte umgehend den Marschbefehl, denn Jerome hatte gewarnt, daß die Luftsäcke nicht ewig halten würden.
    »Fünfhundert Mann gehen über den Damm bis zum Ouse«, erklärte der König den gut zwanzig Kommandanten und Rittern, die er in sein Zelt beordert hatte. »Langsam und vorsichtig und in großen Abständen. Der Damm ist schmal, und wir dürfen ihn nicht überlasten. Jeder fünfte Mann führt ein Floß mit sich.«
    »Ein Floß?« fragte Warenne verwundert. »Wozu?«
    »Hättet Ihr Euch je die Mühe gemacht, den Damm zu inspizieren, wüßtet Ihr, daß er nicht bis an die Insel reicht«, erwiderte William kühl. »Wir haben ihn schließlich nicht gebaut, damit Hereward seine Truppen herüberführt und uns belagert. Wenn die erste Hälfte der Männer den Fluß erreicht hat, beginnt Ihr damit, die Nachhut hinüberzuführen, Warenne.«
    »Und wer soll die erste Hälfte führen?« fragte sein Bruder Robert.
    »Das werde ich tun«, erklärte William.
    »Aber William, es ist zu gefährlich …«, begann Robert, doch der König brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. »Laß uns keine Zeit damit verschwenden, immer wieder die gleichen Debatten zu führen. Die Männer fürchten sich vor dem Moor und werden es mit mehr Entschlossenheit überqueren, wenn ihr König sie anführt.«
    Etienne nickte und raunte Cædmon zu: »Das ist wahr.«
    Der König sah in ihre Richtung. »Und Ihr seid wirklich sicher, daß es regnen wird, Cædmon?«
    Cædmon wies kurz auf sein linkes Bein. »Es wäre das erstemal, daß es sich irrt, Sire.«
    »Könnt Ihr abschätzen, wann?«
    Für die Antwort befragte Cædmon nicht etwa sein Bein, sondern trat an den Zelteingang und sah zum Himmel auf. »Vor Sonnenuntergang, aber nicht viel eher.«
    »Ich finde, es sieht so aus, als wolle es jeden Moment anfangen zu schütten«, widersprach Warenne.
    William ging nicht darauf ein. »Na schön. Wir marschieren eine Stunde nach Mittag.«
    Warenne und Robert wechselten einen irritierten Blick. Sie verstandennicht, warum der König so lange warten wollte. Aber sie fragten ihn nicht, sie waren sicher, er hatte einen

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