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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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und vergewissert Euch, daß sie tun, was ich sage.«
    Lucien lief zur Kirche hinüber. Das Schwert in seiner Rechten war bis zum Heft blutbeschmiert.
    Cædmon wandte einen winzigen Augenblick den Kopf, um ihm nachzuschauen, hörte ein unheilvolles Surren und sprang intuitiv nach hinten. Eine Streitaxt pfiff durch die Luft und grub sich in den Boden, auf dem er gerade noch gestanden hatte. Mit weit aufgerissenen Augen sah er zu dem gewaltigen Krieger auf. »Gorm …«
    »Ganz recht, Thane. Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich bin, dich wiederzusehen«, knurrte der Goliath und zog mit einem Ruck die Axt aus dem Gras.
    Cædmon wußte, daß sein Schild ihn nicht schützen konnte und sein Schwert vermutlich bersten würde, wenn er es der niedersausenden Axt entgegenhob. Also stand er einfach stockstill, deckte seine linke Seite mit dem Schild und ließ Gorms Waffe nicht aus den Augen, um im rechten Moment beiseite springen zu können. Gorm lächelte haßerfüllt auf ihn hinab, hob die Axt mit beiden Händen über den Kopf und öffnete den Mund zu einem gewaltigen Kampfschrei, als ein langes, geschwärztes Schwert sich seitlich in seine Brust bohrte, die er in dem Eifer, Cædmon zu töten, so leichtsinnig entblößt hatte.
    »Wie könnt Ihr einfach so dastehen, Cædmon? Habt Ihr gehofft, daß Gott einen Blitz vom Himmel herabschickt?«
    Cædmon stieß erleichtert die Luft aus. »Das hat er doch, oder? Danke, Sire.«
    Der König lachte. »Geht und findet Hereward. Ihr seid der einzige, der ihn von Angesicht kennt.«
    »Mich wundert, daß er sich Euch nicht längst zum Zweikampf gestellt hat. Das sähe ihm eigentlich ähnlich.«
    »Wenn ein Mann erkennen muß, daß seine Sache verloren ist, geht selbst dem Tapfersten der Sinn für noble Gesten verloren.«
    Cædmon nickte und streifte den gefällten Goliath zu ihren Füßen mit einem flüchtigen Blick. Wo Gorm war, war Dunstan meist nicht weit … »Ich mache mich auf die Suche, Sire.«
    Cædmon suchte dort, wo das Getümmel am dichtesten war, denn wahrscheinlich würde Hereward mitten darin stecken. Er schlug sich eine Bresche mit dem Schwert, entfernte sich immer weiter von William, Robert und Etienne und gelangte schließlich in den kleinen Hof hinter der Kirche, wo die Mönche in friedlicheren Zeiten ihr Pergament herstellten. Das kleine Holzhäuschen, wo die kostbaren Bögenaufbewahrt wurden, brannte lichterloh. Cædmon sah sich suchend um, aber keiner der vielen Schattenrisse hatte Ähnlichkeit mit dem gedrungenen, feenäugigen Angelsachsen. Er wandte sich Richtung Klostergarten ab, als plötzlich ein Schatten auf ihn fiel. Im letzten Moment riß Cædmon den Schild hoch. Das Schwert, das mit einem dumpfen Donnern darauf niedersauste, wurde mit solcher Kraft geführt, daß er die Wucht bis in die Knie spürte.
    »Endlich kommst du«, raunte eine heisere Stimme flüsternd.
    »Dunstan …«
    »So ist es, Bruder. «
    Cædmon sparte seinen Atem, hob das Schwert und lernte schnell, daß Dunstan ein Gegner war, vor dem man sich wahrlich in acht nehmen mußte. Er führte seine schwere, perfekt ausbalancierte Waffe mit Schnelligkeit und dem mühelosen Geschick jahrelanger Übung. Die Ausbildung der Housecarls in Harold Godwinsons Gefolge war offenbar ebenso gründlich gewesen wie die der Knappen am Hof in Rouen. Das dunkle Dröhnen von Stahl auf Esche wechselte sich ab mit dem helleren Klirren sich kreuzender Klingen, in schnellem Rhythmus. Beide Brüder versuchten, den Kampf zu beschleunigen, soviel Druck wie möglich zu machen, denn sie hatten beide erkannt, daß sie ebenbürtige Gegner waren und nur darauf hoffen konnten, den anderen zu ermüden. Dunstan hatte den Schild bis ans Kinn gehoben, führte das Schwert weit oben, ließ es einmal über dem Kopf kreisen und dann abwärtssausen. Cædmon wich einen halben, beinah tänzerischen Schritt nach links, holte in Hüfthöhe aus, setzte zum Gegenangriff an und drängte Dunstan zurück. Zwei Schritte, drei, vier, und als er gerade begann, sich zu fragen, wieso sein Bruder plötzlich wich, trat er mit dem linken Fuß ins Leere und fiel. Dunstan hatte ihn zu dem kleinen, bei dieser Dunkelheit im hohen Gras fast unsichtbaren Abzuggraben gelockt, der das viele bei der Pergamentherstellung benötigte Wasser zurück zum Fluß führte. Cædmon fiel hart auf seinen Schild, seine Hand verfing sich im Haltegriff und brach mit einem schauerlichen trockenen Laut.
    Er rollte sich nach rechts, kniete im nächsten Moment im Schlamm und

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