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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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darauf?«»Du kannst es ruhig zugeben, Cædmon. Ich würde es verstehen. Er kommandiert dich herum, verfügt über dich, als wärst du sein Sklave, und meistens ist er schroff und rücksichtslos dabei …«
    »Oh, um Himmels willen, Richard, was sollte mir das wohl ausmachen? Er behandelt mich nicht schlechter als jeden meiner Freunde.«
    »Anders gesagt, er behandelt keinen deiner Freunde besser als dich. Und keinen seiner Söhne.«
    Cædmon sah ihn forschend an. »Verrätst du mir, worauf du hinauswillst?«
    Richard antwortete nicht gleich. Sein Blick war auf die undurchdringliche Schwärze jenseits des Öllichts gerichtet. »Ich … wünsche mir manchmal, ich wäre der Sohn eines anderen Mannes«, gestand er leise. »Tatsächlich? Zum Beispiel?«
    »Oh … weiß nicht. König Alfred, vielleicht. Oder Edgar.«
    Cædmon lachte leise. »Du bist nicht gerade bescheiden, oder? Aber ich bin froh zu hören, daß du die angelsächsischen Könige so hoch schätzt.« »Du machst dich über mich lustig«, sagte der Junge düster.
    Cædmon wurde wieder ernst. »Nein, Richard. Entschuldige.« Er schwieg einen Moment, ehe er offen gestand: »Was du gesagt hast, hat mich erschreckt. Kein Sohn sollte so etwas sagen, ganz sicher nicht der Sohn des Königs.«
    »Nein«, räumte der Prinz niedergeschlagen ein. »Aber ich sage es ja nur dir.«
    »Dein Vertrauen ehrt mich.«
    »Es ist auch nur, weil er … Er ist so grausam. So unerbittlich. Mir graut davor, was er tun wird, wenn wir Ely nehmen. Und mir graut vor dem, was er vorletzten Winter in Northumbria getan hat.«
    »Wie hast du davon erfahren?« fragte Cædmon leise. Am Hof wurde niemals offen darüber geredet.
    »Leif und Eadwig haben es uns erzählt.«
    Cædmon nickte. »Verstehe.« Er strich sich einen Moment über sein unrasiertes Kinn, dann fragte er: »Richard, weißt du von der Herkunft deines Vaters?«
    Der Junge nickte beschämt. »Ja.«
    »Und weißt du, wie hart er hat kämpfen müssen, um die Macht in der Normandie zu erringen? Wie oft er verraten wurde, wie vielen Anschlägen er schon mit knapper Not entronnen war, lange bevor er so alt war wie du jetzt?«
    »Ja, ich kenne die ganze Geschichte. Worauf willst du hinaus?«
    »Nun, ich denke, es ist kein Wunder, daß ihn das hart und grausam gemacht hat. Siehst du, er unterteilt die Menschen in zwei Kategorien: die, die ihm damals beigestanden haben auf der einen Seite. Dazu gehören seine Brüder, deine Mutter, Montgomery, Warenne, vor ihnen schon deren Väter oder auch Etienne fitz Osberns Vater, der vergangenen Winter gefallen ist. In gewisser Weise auch meine Mutter. Sie alle haben sich als seine Verbündeten erwiesen, und das vergißt er nicht. Das ist einer seiner großen Vorzüge, seine Fähigkeit zur Dankbarkeit. Sogar wir Jüngeren kommen in deren Genuß, wenn er uns für einen erwiesenen Dienst reichlich mit Land belehnt. Aber in Wirklichkeit traut er keinem, der nicht zu diesem eingeschworenen Kreis gehört, der nicht die schweren Jahre mit ihm geteilt hat.«
    »Er traut dir«, widersprach Richard.
    Cædmon schüttelte den Kopf. »Manchmal. An guten Tagen. Aber er rechnet ständig damit zu entdecken, daß sein Vertrauen unangebracht ist. Und wenn es so leicht zu erschüttern ist, kann man es kaum Vertrauen nennen. Nein, er glaubt, daß er alle, die er braucht, deren bedingungslose Treue er aber anzweifelt, nur dann beherrscht, wenn sie in Angst vor ihm leben.«
    »Aber das ist nicht recht«, wandte der Prinz ein. »Denn ihr alle seid ihm treu ergeben und zieht für ihn in den Krieg.«
    »Ja. Doch wer so oft verraten worden ist, faßt nicht leicht Vertrauen.« »Und inwieweit entschuldigt das, was er in Northumbria getan hat?« Cædmon schüttelte kurz den Kopf. »Dafür gibt es weiß Gott keine Entschuldigung. Höchstens eine Erklärung.«
    »Und zwar?«
    Cædmon wählte seine Worte sorgsam. »Wenn du sagst, dein Vater sei grausam, hast du recht, Richard. Aber es gibt immer einen Grund. Grausamkeit bereitet ihm kein Vergnügen, wie etwa meinem Bruder Dunstan. Was der König in Northumbria getan hat, diente dazu, den Widerstand im Norden zu brechen und die Dänen von jedem Nachschub abzuschneiden. Und wenn er Dieben und Banditen auf öffentlichen Plätzen die Hände oder sonst irgend etwas abhacken läßt, dann um andere abzuschrecken, ihrem Beispiel zu folgen.«
    »Du meinst, es sei richtig?«
    »Nein. Aber der Hungerwinter hat den Dänen das Kreuz gebrochen, sie mußten unverrichteter Dinge abziehen und

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