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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Faust und trat zu Beatrice.
    »Hier, Madame. Ich wollte ihn Euch eigentlich zur Hochzeit schenken, aber heute scheint doch genau der richtige Tag zu sein.«
    Ihr Gesicht erstrahlte vor Freude, und sie hob langsam die Hände, um den Vogel nicht zu erschrecken, schlang die Halteleine um ihr Handgelenk, nahm ihn auf ihren kostbar bestickten Handschuh und streifte die Haube von seinem Kopf. »Oh, Cædmon. Wie wunderschön er ist. So hell!«
    Er grinste zufrieden und spürte zum erstenmal einen Hauch von Wärme für sie. »Es ist ein sizilianischer Falke. Daher das helle Gefieder. Der Händler hat geschworen, Robert Guiscard habe ihn höchstpersönlich abgerichtet, aber da bin ich skeptisch …«
    Sie lachten, und auch Beatrice stimmte ausnahmsweise einmal mit ein. Es war ein helles Mädchenlachen. Dann schlug sie die Augen nieder. »Ich danke Euch, Monseigneur.«
    Cædmon deutete eine kleine Verbeugung an. »Möge er Euch so ergeben sein, wie ich es bin, Madame.«
    »Wer ist an der Reihe?« fragte der Prinz.
    »Ich«, sagte Beatrice, ohne die Augen von ihrem kostbaren sizilianischen Spielzeug zu nehmen. »Er soll uns gleich zeigen, was er kann.« Cædmon hatte keine Zeit gehabt, den Falken selbst zu erproben, ehe er ihn ihr schenkte, und dachte einen Moment beunruhigt, daß der Vogel, wenn er Beatrice tatsächlich genauso ergeben wäre wie Cædmon selbst, sich zu den weißen Wolken hinaufschrauben und niemals zurückkommen würde.
    Sie hob die Faust, und alle sahen sie gespannt an, als es plötzlich zu ihrer Linken vernehmlich knackte. Der Falke sträubte sein wunderbar gezeichnetes Gefieder, legte den Kopf schräg und rührte sich nicht. Zwei der Pferde, die sie nachlässig an nahen Bäumen angebunden hatten, wieherten angstvoll, drei rissen sich los und flohen schnaubend in den Wald. Ehe irgendwer ihnen nachsetzen konnte, stürmte ein gewaltiger Keiler auf die kleine Lichtung. Cædmon war sicher, er hatte nie zuvor einen größeren gesehen: Seine zotteligen Borsten waren fast schwarz, zeigten hier und da aber große kahle Stellen. Einer der gewaltigen Hauer war abgebrochen, die gemeinen, kleinen Augen gelblich verfärbt, und er blutete am Kopf. Kein Zweifel, er hatte beim Kampf mit einem Rivalen den kürzeren gezogen, und jetzt war er auf Rache aus.
    Beatrice hatte erschrocken aufgeschrien, niemand sonst gab einen Laut von sich. Cædmon packte seine Braut nicht gerade sanft am Ellbogen, schob sie hinter sich und zog im selben Moment das Schwert. Etienne war vor seine Frau geglitten und tat das gleiche.
    Alles ging so rasend schnell, schien zwischen zwei Herzschlägen zu geschehen. Der Keiler rammte den verbliebenen Hauer in die lockere schwarze Erde und hielt mit gesenktem Kopf auf den Prinzen zu, der den Kopf abgewandt hatte und seinem fliehenden, kostbaren Pferd hinterherschaute.
    »Gib acht, Richard!« rief Etienne, und auch Cædmon öffnete den Mund zu einer Warnung, doch er bekam keinen Ton heraus. Die Erkenntnis, daß es ein oftmals geträumter Alptraum war, der hier Wirklichkeit wurde, schnürte ihm die Luft ab.
    Gleichzeitig sprangen Etienne und Cædmon vor, um dem heranrasenden Keiler den Weg zu versperren, aber er war zu schnell. Unaufhaltsam wie ein rollender Felsbrocken wälzte er sich durch die sich schließende Lücke und rammte seinen gewaltigen Schädel in Richards Leib, ehe der Prinz sein Schwert auch nur zur Hälfte aus der Scheide gebracht hatte. Eine solche Wucht lag in dem Aufprall, daß der stattliche junge Mann sechs oder acht Fuß durch die Luft geschleudert wurde, während Etienne und Cædmon ihre Klingen bis zum Heft in Brust und Hals der abscheulichen Kreatur stießen. Der Keiler erschauerte, und der Waldboden erzitterte, als er zur Seite fiel und röchelnd seinen letzten Atem aushauchte.
    Cædmon ließ seine Waffe los und stürzte zu Richard, der am Fuß einer Buche zusammengekrümmt auf der Seite lag.
    »Richard?« Er fiel neben ihm auf die Knie, rollte ihn auf den Rücken und fühlte sein Herz. Es schlug. Cædmon bettete den Kopf des Prinzen in seinen Schoß und strich ihm die schwarzen Locken aus der Stirn. »Richard …« Dann sah er kurz über die Schulter. »Hol Hilfe, Etienne.« Sein Freund nickte und stieg auf das Pferd, das sein Falkner ihm brachte, während Aliesa sich bemühte, die weinende Beatrice zu beruhigen. Sie legte ihr tröstend den Arm um die Schultern und führte sie ein paar Schritte weiter weg vom Ort des grausigen Geschehens, warf aber allenthalben besorgte Blicke

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