Das zweite Königreich
solltest Rufus nicht vergessen.«
»Ich vergesse Rufus nicht.«
»Es könnte durchaus sein, daß er König von England wird.«
Cædmon hob abwehrend die Linke. »Das hat keine Bedeutung mehr für mich, Oswald. Auch in der Hinsicht bin ich auf der ganzen Linie gescheitert. Ich habe für England getan, was ich konnte, solange es ging. Aber ich habe das Vertrauen des Königs verloren, aller politischer Einfluß, den ich je gehabt haben mag, ist dahin. Engländer und Normannen müssen fortan ohne meine Hilfe miteinander auskommen.« »Das wäre für beide Seiten ein herber Verlust.«
Cædmon lächelte vor sich hin. »Du solltest mich nicht überschätzen.Was habe ich denn je erreicht? Wann hätte William je auf mich gehört? Männer wie Montgomery oder Etienne fitz Osbern können viel mehr für eine Aussöhnung tun als ich.«
»Trotzdem. Du bist immer noch Thane of Helmsby, und …«
»Und ich war seit über einem Jahr nicht dort, dabei …« Er brach unvermittelt ab und stand auf, als er den Reiter erkannte, der über die Zugbrücke kam.
»Wer ist es?« fragte Oswald neugierig.
»Mein Schwager.«
Oswald zog die Brauen hoch. »Der Wikinger? Gott steh uns bei.«
Erik hatte Cædmon entdeckt, hielt auf ihn zu und saß ab. Er trug einen kurzen, dunklen Bart, um seine Augen lagen Kränze kleiner Falten, und sein Gesicht wirkte wettergegerbt wie bei so vielen Männern, die zur See fuhren. Einen Moment sahen sie sich unsicher in die Augen, dann umarmten sie einander kurz.
»Erik. Alles in Ordnung? Ich hoffe, es ist nicht deine Familie, die du suchst. Hyld ist schon lange wieder in Helmsby.«
»Ich weiß. Ich war dort. Es geht allen gut.« Er nickte Oswald flüchtig zu, ehe er sich wieder an Cædmon wandte. »Kann ich dich allein sprechen?«
Der Mönch erhob sich lächelnd von der Treppenstufe. »Ich war ohnehin im Begriff, in die Kapelle zu gehen.«
Er ging ohne Eile davon, und Cædmon führte seinen Schwager die Treppe hinauf. Nebeneinander stützten sie die Unterarme auf die Palisaden und sahen auf den Hafen hinab.
»Ich hoffe, deine lange Fahrt war einträglich?« fragte Cædmon.
Erik nickte. »O ja. Du bist bleich und dürr, Schwager.«
»Danke. Du siehst hingegen blendend aus. Aber das ist nicht weiter verwunderlich, wir alle wissen schließlich, daß das Piratenleben dir bekommt. Doch ich nehme nicht an, daß du hergekommen bist, um dich von meinem Wohlergehen zu überzeugen.«
Erik hob kurz die linke Hand. »In gewisser Weise schon. Sag, Cædmon, was ist das für ein Unsinn, den Hyld mir erzählt, von einem Teppich, den sie für den Bruder des Königs gemacht hat?« fragte er gereizt.
So, dachte Cædmon, das ist es also. Er schüttelte langsam den Kopf. »Du hättest ihn sehen sollen, Erik. Ja, du solltest wirklich nach Bayeux fahren und ihn dir ansehen. Er ist … einzigartig. Ich meine, ich habe immer gewußt, daß Hyld sich auf solcherlei Dinge versteht, aber ihrKönnen und Bruder Oswalds Zeichentalent und Odos wahrhaft größenwahnsinnige Vision haben etwas hervorgebracht, das mit nichts zu vergleichen ist, was du je gesehen hast.«
»Ich habe eine Menge gesehen.«
»Ich bleibe trotzdem dabei.«
»Und es hat über ein Jahr gedauert?«
Cædmon wandte den Kopf und sah ihn an. »Selbst die vier Wände der großen Halle dieser Burg haben nicht ausgereicht, um den Teppich in voller Länge aufzuhängen, wir haben es versucht. Er ist tatsächlich über zweihundert Fuß lang geworden.« Und wie gern hätte er Williams Gesicht gesehen, wenn er die neue Kathedrale von Bayeux betrat und sein Blick auf dieses unvergleichliche Bilderwerk fiel, das die Geschichte seines größten Triumphes erzählte. »Was ist, Erik? Hast du so wenig Vertrauen zu deiner Frau? Ist es dir unheimlich, was sie vollbracht hat? Und wenn es so ist, warum stellst du mir diese Fragen statt ihr?«
»Sie würde mir die Augen auskratzen«, murmelte der Seefahrer, den weder die Stürme des Meeres noch unbekannte Küsten schreckten. »Natürlich habe ich Vertrauen zu ihr. Aber … sie hat sich verändert.« »Du warst zwei Jahre fort, du kannst nicht erwarten, daß alles beim alten ist, wenn du heimkommst. Ich bin sicher, deine Söhne haben sich auch verändert. Harold ist bald alt genug, um mit dir hinauszufahren, und Guthrum konnte noch nicht einmal laufen, als du aufgebrochen bist.« »Ja, aber damit hatte ich gerechnet.«
Cædmon nickte langsam. »Es gibt nichts, worum du dir Sorgen machen müßtest, soweit ich in der Lage bin, es
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