Das zweite Königreich
freiwillig ins Exil gegangen und habe mir geschworen, es nicht wieder zu tun. Ich würde eingehen, glaub mir. Und sie erst recht.«
»Seltsam«, brummte Erik. »Ich hätte gedacht, du würdest alles tun, um sie zurückzubekommen.«
So war es auch. Aber er wußte, daß er für Aliesa alles nur schlimmer machen würde, wenn er auf Eriks Vorschlag einging. Sie hatte ihre Ehre, ihre Freunde und ihre Freiheit verloren genau wie er, aber sie hatte immer gern im Kloster gelebt. Sicher fand sie dort Trost. Vielleicht sogar Frieden. Das Leben, das er ihr statt dessen zu bieten hätte, würde sie todunglücklich machen. Und was dann?
Er schüttelte noch einmal nachdrücklich den Kopf. »Du hast dich geirrt. Ich muß hierbleiben und sehen, wie es weitergeht. Schon wegen Helmsby. Wenn ich fliehe, wird der König mich enteignen, und das Lehen ginge an Gott weiß wen.«
»Na ja, das ist wahr«, räumte Erik unwillig ein. »Wenn dein normannischer Nachbar es bekäme, wäre in Helmsby der Jammer sicher groß.« »Wen meinst du?«
»Lucien de Ponthieu. Seine Ländereien grenzen jetzt direkt an deine, wußtest du das nicht?«
»Nein.«
»Hm. Dein Vetter Alfred liegt ständig im Streit mit ihm über ein paar Felder in Blackmore; sie können sich nicht einigen, wem sie denn nun gehören. De Ponthieu hat angedroht, die Sache dem Sheriff vorzutragen, und da der Sheriff Normanne ist, können wir uns wohl alle denken, wie es ausgeht.«
Cædmon sah ihn an. »Du bist gut informiert.«
»Man muß nur ein paar Tage in Helmsby sein, um diese Dinge zu hören. Dein Vetter versteckt auch hin und wieder ein paar Sklaven oder Bauern, die von de Ponthieus Gütern fliehen. Der reinste Exodus. Lucien führt ein hartes Regiment. Aber seine Frau ist noch schlimmer, sagen sie.«
»Die göttliche Beatrice …«
»Ja.«
»Sag Alfred, er hat meinen Segen, aber er muß sich vorsehen. Wenn Lucien das herausbekommt und sich beim Sheriff oder gar beim König über uns beklagt, dann wird es düster aussehen.«
Erik grinste. »Oh, Alfred ist vorsichtig, sei unbesorgt. Ein gerissener Bursche. Er heiratet übrigens meine Schwester Irmingard.«
Cædmon lächelte. »Wirklich?«
»Hm. Wird auch Zeit. Sie ist schwanger, und inzwischen kann man es deutlich sehen. Du kannst dir sicher vorstellen, was deine Mutter dazu zu sagen hat.«
»Lebhaft. Sei so gut, richte Alfred und Irmingard meine Glückwünsche aus.«
Erik nickte und wollte etwas sagen, wollte vielleicht noch einmal versuchen, Cædmon umzustimmen, aber ein vernehmliches Poltern auf der Treppe lenkte ihn ab. Drei kleine Ritter erstürmten die Brustwehr, der Prinz vornweg.
»Cædmon! Oh … entschuldige. Ich wußte nicht, daß du Besuch hast.« »Henry, das ist Erik Guthrumson, Leifs Bruder und der Mann meiner Schwester Hyld.«
»Oder auch Erik, der Pirat, wie du gerne sagst«, beendete der Prinz dieVorstellung mit einem pfiffigen Lächeln. Dann verneigte er sich höflich. »Es ist mir eine Ehre. Ich habe noch nie einen Piraten kennengelernt.«
Erik lächelte auf ihn hinab, doch ehe er erwidern konnte, daß Henrys Vater wohl der größte Pirat von allen sei, drängte Ælfric sich vor. »Du bist Onkel Erik, der bis ans Ende der Welt gesegelt ist?«
Erik winkte bescheiden ab. »Nur beinah, Ælfric. Hinter Grönland geht das Meer immer noch weiter, dann kommt noch das sagenhafte Vinland, wo das rothäutige Volk lebt, und erst dahinter liegt das Ende der Welt.«
»Wirst du mal hinsegeln?« fragte der Junge aufgeregt.
»Ich bin doch nicht verrückt. Dort sind Seeungeheuer, heißt es. Und man fällt über den Rand der Erde und landet weiß Gott wo.«
»Nein, ich meine nach Vinland.«
»Das schon eher.«
»Nimmst du mich mit?«
Erik lachte. »Vielleicht. Ich denke, einen Kerl wie dich könnte ich noch gebrauchen. Und was ist mit dir, Wulfnoth? Willst du auch zur See fahren?«
Ælfrics kleiner Bruder schüttelte den gesenkten Kopf. »Nein. Höchstens bis in die Normandie.«
Erik brummte mißfällig. »Und was willst du ausgerechnet dort?«
Der Junge zuckte mit den Schultern. »Ich gehe dorthin, wo Henry ist.« »Verstehe. Ich merke, du kommst auf deinen Vater, mein Junge.«
Cædmon legte seinem kleinen Sohn die Hand auf die Schulter. Er spürte, daß der Fremde mit der tiefen Stimme und dem schwarzen Bart ihm angst machte. »Komm, Wulfnoth. Ihr anderen auch. Zeit für die Vesper, und danach gibt es Essen. Iß mit uns, Erik, mach uns die Freude.«
Erik hätte sich lieber verabschiedet und
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