Das zweite Königreich
zwei balgende Jagdhunde. Und ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, welchen Gesichtsverlust es für Robert vor den versammelten Adligen bedeutete, beschied er: »Rufus hat völlig recht. Ich werde keinen Krieg mit Philip beginnen, solange er nicht auf normannisches Gebiet vordringt. Es gäbe nur einen guten Grund, das Vexin zu besetzen und Mantes zu nehmen.«
»Eine hervorragende Basis für einen Angriff auf Paris«, murmelte Rufus.
Sein Vater schenkte ihm ein kleines Verschwörerlächeln und nickte anerkennend. »Aber dazu haben wir derzeit weder die Kräfte noch das Geld. Es wird ein Traum bleiben. Vorerst. Und nun zurück zur Sache, Monseigneurs …«
Als der Rat sich auflöste, trat Robert zu seinem Vater. »Kann ich Euch einen Moment unter vier Augen sprechen, Sire?« fragte er leise.
Der König setzte sein Siegel unter die Protestnote an Philip, die er seinem Schreiber diktiert hatte, und reichte Cædmon den großen Stempel. »Seid so gut und schließt es weg.« Dann wandte er sich mit verschränkten Armen an seinen Sohn. »Wozu? Um mir schon wieder deine ungehörigen Forderungen vorzutragen? Dazu habe ich jetzt wirklich keine Zeit. Du wirst Herzog der Normandie an dem Tag, an dem ich sterbe, nicht eher. Und nun laß mich allein.«
»Aber Vater … ist das alles, was ich für zehn Jahre treuer Dienste zu erwarten habe? Eine schroffe Abfuhr und eine öffentliche Demütigung?«
William löste mit ungeschickten Fingern die Spange, die seinen Mantel am Kinn zusammenhielt, nahm ihn ab und warf ihn über eine Stuhllehne. »Deine Dienste waren nichts weiter als das, was ein gehorsamer Sohn seinem Vater schuldet. Du hast die Normandie gut und umsichtig verwaltet, Robert, das würde ich dir nie absprechen. Aber gerade eben hast du bewiesen, daß es dir an Erfahrung und Weitsicht mangelt, um alleinverantwortlich zu herrschen. Und wenn du einen unklugen Vorschlag machst, werde ich nicht zögern, dir das zu sagen, ganz gleich, wer es hört. Jetzt geh.«
»Aber wie soll ich mit den mageren Einnahmen aus meinen bescheidenen persönlichen Ländereien meinen Hof und mein Gefolge unterhalten? Ihr verlangt, daß ich alles tue, was ein Herzog täte, ohne mir die Mittel zur Verfügung …«
»Ich weiß, daß Geld der eigentliche Grund ist, warum du die Normandie willst«, fiel William ihm leise ins Wort. »Und auch deswegen kriegst du sie nicht. Diese Debatte ist beendet, ich will nichts mehr davon hören. Und wenn du jetzt nicht gehst, Robert, werde ich dir mit einem Tritt auf die Sprünge helfen.«
Robert fuhr leicht zusammen, trat einen Schritt zurück und verneigte sich formvollendet vor seinem Vater. »Sire.« Dann ging er eilig hinaus. Der König schien ihn auf der Stelle zu vergessen, nahm sein Schwert ab und legte es auf den Tisch. »Würdet Ihr mir wohl mein Kettenhemd aus der Truhe reichen, Thane?«
Ich bin zwar nicht dein Kammerdiener, aber meinetwegen, dachte Cædmon, klappte den massiven Eichendeckel der Truhe auf und holte das schwere, in dunkle Wolle eingeschlagene Paket heraus. Als esauf dem Tisch lag, wickelte er es aus und hielt das Kettenhemd an den Schultern hoch. »Ein herrliches Stück«, murmelte er bewundernd.
William streifte es mit geübten Bewegungen über und drückte mit einem unzufriedenen Brummen die Hände in die Seiten. »Aber zu eng. Wie kann es nur sein, daß ich immer dicker werde, wo ich doch nie etwas esse?« fragte er verdrossen. Er zog den schweren, knielangen Harnisch wieder aus. Die kleinen Eisenringe klirrten leise, als er ihn auf einem Schemel ablegte. »Sagt, was Ihr denkt, Cædmon.«
»Mit zunehmendem Alter legen die meisten Leute ein bißchen zu, es ist normal. Laßt Euch ein neues Kettenhemd anfertigen, und damit Schluß.«
»Herrgott noch mal, ich rede nicht von dem verfluchten Kettenhemd! Ihr sollt mir sagen, wie Ihr über diese Situation denkt!«
Cædmon sah ihn stirnrunzelnd an. »Wieso?«
»Wieso? Ich will Eure Meinung hören, deswegen«, erwiderte William in einem Tonfall, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt, als sei es seiner Natur vollkommen fremd, denjenigen, die ihm offen ihre Meinung sagten, die Zunge abschneiden zu lassen. Als er Cædmons halb ungläubigen, halb spöttischen Blick sah, konnte er sich selbst ein Grinsen nicht ganz verbeißen und gestand: »Die Königin ist der Ansicht, ich solle mehr auf Euch hören.«
»Ich merke, die Königin sinnt immer noch auf neue Wege, mich für meine Sünden zu bestrafen«, brummte
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