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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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verhindern, daß der französische König normannische Adlige auf seine Seite zog. Es war ein nasser, anstrengender, freudloser Sommer gewesen, und sie alle fragten sich, wie lange William dieses Katz-und-Maus-Spiel mit Philip noch fortsetzen wollte.
    »Kommt, laßt uns zurückgehen, es fängt an zu regnen«, forderte Eadwig die anderen auf.
    »Aber was wollen wir in der Halle?« fragte Rufus nörgelnd.
    »Wir könnten Rätsel raten«, schlug Henry vor.
    Die jungen Männer stöhnten vernehmlich.
    »Weiß der Himmel, Henry, ich kenne niemanden, der so versessen auf Rätsel ist wie du«, bemerkte sein Bruder mißfällig.
    »Richard war genauso«, bemerkte Leif und sah lächelnd auf den kleinen Prinzen hinab. »Du bist ihm in vieler Hinsicht ähnlich, weißt du.«Henry lächelte stolz. »Ist das wahr?«
    »Bild dir nur nichts ein«, brummte Rufus. »Er meint, daß deine Nase genauso krumm ist und du ein ebenso erbärmlicher Reiter bist.«
    Henry blickte gekränkt zu ihm auf. »Richard war kein schlechter Reiter!«
    Cædmon bedachte den älteren Prinzen mit einem vorwurfsvollen Kopfschütteln. Er wußte, es war nicht Rufus’ Absicht gewesen, Richards Andenken zu beleidigen oder Henry zu verletzen, nur eine dieser typisch bissigen, gedankenlosen Bemerkungen, mit denen er ebenso freigiebig war wie sein Vater.
    »Also was ist nun, Cædmon?« drängte Henry. »Weißt du nicht noch ein paar Rätsel, die wir noch nicht kennen?«
    »Doch, wär’ schon möglich.«
    Sie gingen auf die Halle zu, als eine Gruppe von vielleicht einem Dutzend Reitern in den Hof preschte.
    »Dann stell mir eins. Bitte.«
    Henry blickte im Gehen zu Cædmon auf, und so sah er nicht, daß er den Ankömmlingen fast vor die Hufe lief.
    Eadwig packte ihn am Arm und riß ihn zurück. »Bist du blind, Tölpel, paß doch auf!«
    Die Reitergruppe hielt an. Die jungen normannischen Ritter glitten aus den Sätteln, und der vordere trat gemächlichen Schrittes auf sie zu. Vor Eadwig blieb er stehen und stemmte die Hände in die Seiten. »Was habt Ihr gesagt?«
    Der junge Engländer sah ihn verwirrt an. »Wie bitte?«
    »›Bist du blind, Tölpel?‹ Hab ich recht gehört?«
    Eadwig verstand und lächelte. »Oh, ich meinte nicht Euch, Montgomery.«
    »Nein? Wen dann?«
    Eadwig öffnete den Mund, aber er wollte ungern eingestehen, daß er seinen Prinzen einen Tölpel genannt hatte, denn das war genau die Form englischer Ungezwungenheit, die hier niemand verstand.
    Der junge normannische Ritter nahm den Helm ab und reichte ihn mitsamt den Zügeln seines Pferdes einem herbeigeeilten Stallknecht. Auch die übrigen Pferde wurden weggeführt, und die Normannen scharten sich um Montgomery, der Eadwig mit verschränkten Armen den Weg versperrte.
    »Also? Ich höre.«
    Eadwig schüttelte achselzuckend den Kopf. »Ich hab Euch nichts zu sagen, Mann. Ich habe nicht zu Euch gesprochen, und ich habe auch keine Veranlassung, Euch zu beleidigen. Jetzt seid so gut und laßt mich vorbei.« Mit einer fast komischen Grimasse legte er die Hand auf den Hinterkopf. »Es regnet, und es ist ein gräßliches Gefühl, wenn der Regen einem in den Nacken fällt. Ich weiß nicht, wie ihr Normannen das aushaltet.«
    »Wir sind eben nicht solche Weichlinge wie ihr Engländer«, erwiderte Montgomery prompt.
    Eadwig stieß hörbar die Luft aus und trat beiseite, um den Normannen zu umrunden. Aber Montgomery glitt in dieselbe Richtung. »Erst werdet Ihr Euch entschuldigen. Dann dürft Ihr ins Trockene.«
    »Was soll das werden, Montgomery?« fragte Cædmon ungehalten. »Er hat Euch nicht beleidigt.«
    »Ach je.« Montgomery legte in gespielter Ergriffenheit die Hand aufs Herz. »Der furchtlose Thane springt für seinen kleinen Bruder in die Bresche.«
    Eadwigs Hände hatten sich zu Fäusten geballt. Aber ehe er etwas sagen oder tun konnte, trat Rufus einen Schritt näher an ihn heran und warnte leise: »Ihr seid streitsüchtig und betrunken, Montgomery. Besser, Ihr verschwindet, ehe der König Euch so sieht. Schlaft Euren Rausch aus.«
    Montgomery wagte nicht, dem Prinzen die Antwort zu geben, die ihm offenbar auf der Zunge lag, aber sein verächtlicher Gesichtsausdruck sagte genug.
    Rufus legte Eadwig leicht die Hand auf den Arm. »Komm, laß uns gehen.«
    Zögernd wandte Eadwig sich ab. Seine finstere Miene verriet, wie zornig er war, aber er beherrschte sich. Doch als er Montgomery den Rücken zuwandte, stellte einer der anderen Normannen ihm ein Bein, und er fiel hart auf die schlammige Erde.

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