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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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von zehn oder zwanzig Mann über eine Woche verteilt ausziehen und uns heimlich in Gournay sammeln.«
    Cædmon zog die Brauen hoch. »Nicht schlecht.«
    Es herrschte ein kurzes, unbehagliches Schweigen, ehe Rufus sagte: »Es war Etiennes Vorschlag.«
    Cædmon nickte und rieb sich beinah verstohlen das Kinn an der Schulter. »Ja. Er war schon immer ein genialer Stratege. Wie … ist er?«
    Rufus hob kurz die Schultern und brauchte einen Moment, ehe er Cædmon in die Augen sehen konnte. »Wie früher. Völlig unverändert. Geistreich, witzig, gute Gesellschaft. Und jeden Abend betrunken, aber natürlich niemals unangenehm oder streitsüchtig oder gar lächerlich. Nur redet er niemals ein Wort mit Eadwig, und wenn irgendwer deinen Namen erwähnt, gibt er vor, es nicht gehört zu haben. Er wirkt unbeschwert und seiner selbst sehr sicher. Alle, die ihn noch nicht kannten, sind vollkommen hingerissen von ihm, vor allem natürlich die Damen. Aber mir ist er unheimlich.«
    »Warum?« fragte Cædmon.
    Der Prinz fuhr sich mit dem Daumen über das ausgeprägte, glattrasierte Kinn und dachte einen Moment nach. »Ich weiß nicht genau. Vermutlich ist es häßlich von mir, das zu sagen, denn er hat sich wirklich Mühe gegeben, keine Befangenheit zwischen uns aufkommen zu lassen, er istsehr freundlich zu mir. Aber manchmal, wenn er mich ansieht, dann … dann bin ich sicher, daß er mich haßt.«
    Cædmon betrachtete den Prinzen versonnen und schüttelte den Kopf. »Das bildest du dir ein, Rufus.«
    Haß war Etiennes Natur fremd. Im Gegensatz zu Cædmon oder Lucien hatte Etienne nicht einmal Jehan de Bellême wirklich gehaßt. Er hatte ein zu sanftes Gemüt, um über längere Zeit einen Groll gegen irgend jemanden zu hegen, tat Ungerechtigkeiten und Rückschläge meist mit einem Schulterzucken ab und vergaß sie. Cædmon hatte ihn ob dieser Gabe oft ebenso beneidet wie bewundert, dieser tief verwurzelten Heiterkeit des Wesens, die auf nichts anderem als Bescheidenheit und Weisheit gründete. Und Cædmon dachte manchmal, daß seine größte Sünde darin bestand, das zerstört zu haben. Er hatte seinen Freund so tief gekränkt, in so unverzeihlicher Weise verraten, daß Etienne gar nichts anderes übrigblieb, als ihn zu hassen. Und ganz bestimmt war dieses Gefühl ihm fremd und unheimlich.
    »Nein, ich bin sicher, du irrst dich, Rufus. Vermutlich fühlt er sich unwohl hier, wäre viel lieber in England geblieben, aber das ist auch alles. Du kannst ihm trauen, glaub mir. Er ist … ein wirklich guter Mann.«
    Rufus schlug unglücklich die Augen nieder und antwortete nicht.
    Nach einem Moment sagte Henry: »Das glaubt der König offensichtlich auch. Er scheint ihm sehr gewogen. Auch deswegen solltest du zurückkommen, Cædmon.«
    Cædmon zog überrascht die Stirn in Falten. »Etienne hat die Gunst deines Vaters verdient, und ich gönne sie ihm von Herzen, Henry. Das letzte, was mir einfallen könnte, wäre, mit ihm darum zu konkurrieren.« »Aber wir glauben, daß Etienne fitz Osbern sich bemüht, den König wieder gegen dich aufzubringen«, wandte der junge Prinz besorgt ein. Cædmon sah von ihm zu Rufus. »Wie kommt ihr darauf?«
    Rufus hob die Hände zu einer Geste der Ratlosigkeit. »Oh, es ist nichts, worauf man den Finger legen könnte. Andeutungen. Kleine, scherzhafte Bemerkungen. Er erwähnt natürlich niemals deinen Namen – wie könnte er, da er ja so tut, als gäbe es dich gar nicht –, aber er scheint alles zu wissen, was in den letzten Monaten vorgefallen ist. Einmal hat er beiläufig erwähnt, daß es vielleicht nie zum Bruch zwischen meinem Vater und Robert gekommen wäre, wenn die englischen Ritter in Henrys und meinem Gefolge sich besser zu benehmen wüßten. Der Königstand in der Nähe und hat es gehört. Und er weiß auch, daß du dem Boten meiner Mutter zur Flucht verholfen hast.«
    Cædmon fuhr erschrocken zusammen. »Woher weißt du davon?«
    Rufus lächelte flüchtig. »Meine Mutter hat es meiner Schwester Adeliza erzählt. Adeliza mir. Aber wie fitz Osbern davon erfahren hat …« Er hob vielsagend die Schultern. »Ich habe es keiner Menschenseele gesagt. Und Adeliza kann Geheimnisse hüten, das weiß jeder in unserer Familie, sonst hätte Mutter ja nie mit ihr darüber gesprochen.«
    »Also kann ich damit rechnen, in absehbarer Zeit wieder in einem der anheimelnden normannischen Verliese zu landen«, mutmaßte Cædmon finster.
    Rufus lächelte schwach. »Ich glaube nicht, Cædmon. Vater hat überhaupt nicht

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