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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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darauf reagiert, als er es hörte. Natürlich hat Etienne es ihm auch nicht direkt ins Gesicht gesagt, sondern mit Hamo fitz Hugh darüber geplaudert, als der König zufällig in der Nähe war. Ich habe meinen Vater genau beobachtet. Er war nicht wütend. Und das nächste, was ich ihn sagen hörte, war, daß du beim Sturm auf Gerberoi seine englischen Ritter befehligen sollst.«
    Cædmon fuhr sich mit dem Ärmel über die triefende Nase und stützte die Stirn auf die Fäuste. »Er will uns gegeneinander ausspielen. Gott verflucht … Rufus?«
    »O nein, Cædmon. Ich werde ihm nicht sagen, du seiest todkrank und unfähig, mit nach Gerberoi zu ziehen. Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen. Dich Etienne fitz Osbern gegenüber zu finden mag dir unangenehm sein, aber mein Vater zieht in den Krieg gegen meinen Bruder. Was denkst du, wie ich mich fühle? Der König wird wie ein wütender Löwe sein. Glaubst du, ich gehe mit ihm und lasse seinen Wärter freiwillig hier zurück?«

Gerberoi, Januar 1079
    »Schlaft nicht ein an der Winde!« rief Cædmon aufmunternd. Er mußte die Stimme erheben, um sich gegen das unablässige Heulen des Sturms Gehör zu verschaffen. »Dauerbeschuß, hat der König gesagt. Nicht einmal pro Stunde. Na los!«
    Die beiden englischen Soldaten, die die Winde der Ballista betätigten,legten ein bißchen zu, kurbelten mit mehr Einsatz, so daß sie trotz der eisigen Winterkälte bald ins Schwitzen gerieten, und die dicke Sehne der gigantischen Armbrust wanderte auf ihrer Führung allmählich nach hinten. Als sie über den Hahn rutschte, legte einer der Soldaten hastig den Sperrbügel um, und die Ballista war gespannt. Aus einem Korb in der Nähe nahm er ein Geschoß, das in Länge und Dicke fast einem Speer gleichkam, entzündete die mit Schwefel präparierte Spitze am Wachfeuer, legte es in die dafür vorgesehene Vertiefung am Schaft der Ballista und trat auf Cædmons Zeichen den Auslöser. Mit einem hellen Zischen sauste der riesige Pfeil hoch in die Lüfte, flog im weiten Bogen über die Palisaden und war verschwunden.
    Zwei Reiter näherten sich und saßen ab. Cædmon erkannte Rufus und Eadwig, noch ehe sie die Helme abgenommen hatten.
    Der Prinz wies auf die Ballista. »Mit Katapulten würden wir mehr ausrichten, denkst du nicht?«
    Cædmon hob kurz die Schultern und behauchte seine gefühllosen Hände. »Das macht keinen großen Unterschied. Und Katapulte hätten wir niemals unbemerkt quer durch die Normandie schaffen können. Sie lassen sich nicht so leicht auseinandernehmen und wieder zusammensetzen wie diese Ballistas.«
    »Ballistae«, verbesserte Eadwig geistesabwesend und sah zu den Palisaden hinüber. »Nichts rührt sich. Man fragt sich, ob überhaupt noch jemand dort drin ist.«
    Sie waren zu weit entfernt, um jenseits der Einfriedung Schritte oder Stimmen hören zu können, und die Burg wirkte tatsächlich unheimlich still.
    »Wir hätten uns die Heimlichtuerei jedenfalls sparen können«, brummte Rufus. »Der Überraschungseffekt hat uns nichts genützt. Seit drei Wochen frieren wir uns hier halb zu Tode und haben nichts erreicht.«
    »Das stimmt nicht«, widersprach Cædmon. »Seit drei Wochen ist keine Maus dort raus- oder reingekommen. Wir wissen nicht, wie viele Männer Robert da drinnen hat, aber ich wette, inzwischen haben sie alle mächtigen Hunger.«
    »Und du meinst, wenn sie hungrig genug sind, werden sie einfach klein beigeben?« fragte Rufus skeptisch.
    »Spätestens wenn sie ihre Pferde aufgegessen haben. Es kann noch ein Weilchen dauern, aber letztlich wird Robert verhandeln müssen.Wenn er darauf gehofft hat, Philip von Frankreich würde kommen, um uns in den Rücken zu fallen, hat er sich offenbar getäuscht. Das hätten wir schon gemerkt. Nein, Robert sitzt in der Falle. Und früher oder später …«
    Er brach ab, als sie ein fernes Poltern vernahmen, das vom Haupttor der Palisaden zu kommen schien. Ungläubig starrten sie über die Ebene. Langsam schwangen die gewaltigen Torflügel nach innen.
    »Was hat das zu bedeuten?« fragte Eadwig verwirrt.
    »Vielleicht schieben sie schon Kohldampf«, mutmaßte Rufus verächtlich. »Robert ist Entbehrungen nicht gewöhnt, schließlich …«
    »Sitzt auf, reitet zurück«, unterbrach Cædmon.
    Sie hörten den drängenden Tonfall, aber Rufus zögerte. »Was haben sie nur vor? Denkst du, sie wollen verhandeln?«
    »Verdammt, Rufus, tu, was ich sage! Reite zum König! Wenn sie verhandeln wollten, würde Robert jemanden auf die

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