Das zweite Königreich
worden waren, kämpften sie nach der gleichen Technik, sahen jeden Trick und jede Finte kommen. Doch schließlich scheute Cædmons unerfahrenes Pferd und stieg, und das war alles, was fitz Osbern brauchte, um sich den entscheidenden Vorteil zu verschaffen. Er rammte dem nervösen jungen Hengst die Klinge in die Kehle, und das Tier brach schaudernd zusammen, während ein gewaltiger Blutschwall zischend und dampfend in den Schnee spritzte.
Cædmon war aus dem Sattel gesprungen, ehe das sterbende Tier ihn unter sich begraben und einklemmen konnte. Er landete sicher auf den Füßen, sah fitz Osbern unbewegt entgegen, der unaufhaltsam auf ihn zuritt, und machte im letzten Moment einen Satz nach rechts, so daß er auf der ungefährlichen, der Schildseite seines Gegners stand. Ehe fitz Osbern sein Pferd wenden konnte, packte Cædmon seinen Fuß, riß ihn aus dem Steigbügel und verpaßte ihm einen kräftigen, aufwärts gerichteten Stoß.
Guillaume fitz Osbern stürzte mit einem entsetzten Protestschrei aus dem Sattel, doch sein rechter Fuß hatte sich im Steigbügel verfangen, und als sein verschreckter Gaul durchging und davonstob, schleifte er ihn mit. Fitz Osberns Bein brach mit einem hörbaren Knacken, und seine gellenden Schreie waren noch zu hören, nachdem das Pferd längst im Getümmel verschwunden war.
Cædmon sah ihm grimmig hinterher. »Mögest du elend verrecken, Guillaume fitz Osbern«, knurrte er und blickte sich nach einem neuen Gegner um. Er wußte, er durfte sich keine Atempause gönnen, bis dasGemetzel vorbei war, denn wenn er sich jetzt gestattete, an Eadwig zu denken, dann würde auch er auf diesem Schlachtfeld, in diesem Bruderkrieg sterben.
»O mein Gott, der König! Der König ist gestürzt!« Der entsetzte Schrei erhob sich zu seiner Linken. Cædmon fuhr herum, erwischte den Zügel eines vorbeilaufenden reiterlosen Pferdes, schwang sich in den Sattel und trieb das Tier unbarmherzig in die Richtung, wo der Kampf am hitzigsten war und er William vermutete.
Auch der König hatte sein Pferd verloren. Bei dem Sturz hatte er den Helm eingebüßt und, was weitaus schlimmer war, sein Schwert. Er bückte sich hastig danach, als der Mann, der sein Pferd gefällt hatte, wieder heranpreschte, um ihm den ungeschützten Kopf abzuschlagen. Cædmon sah genau, was passieren würde, aber er war noch zu weit entfernt, um irgend etwas tun zu können. Er schrie auf vor Zorn und Angst, als Toki Wigotson sich plötzlich aus dem Sattel fallen ließ und sich zwischen den König und das zustoßende Schwert warf.
Die normannische Klinge durchbohrte sein Kettenhemd und stieß ihm mit solcher Wucht in die Brust, daß sie in seinem Rücken wieder herauskam und den König, der instinktiv die Arme hochgerissen hatte, an der Hand verletzte.
Noch ehe der Normanne sein Schwert aus dem Leib des Sterbenden befreien konnte, hatte William sich auf Tokis Pferd geschwungen und dem Mann, der versucht hatte, seinen Herzog und König zu erschlagen, den Schwertarm vom Rumpf getrennt. Mit einem fast beiläufigen Tritt beförderte der König den schreienden Ritter aus dem Sattel und ließ ihn zum Verbluten im eiskalten Morast liegen.
»Wo ist mein Sohn?« brüllte er wutentbrannt. »Zeig dich, Robert!« Aber wo immer Robert auch sein mochte, er gab sich nicht zu erkennen. Cædmon hörte hinter sich heftigen Waffenlärm, sah sich verwundert um und riß dann voller Entsetzen die Augen auf.
»Sire …«
»Cædmon, wißt Ihr, wo Robert ist?«
»Nein. Sire, unsere Nachhut fällt uns in den Rücken.«
Die Schlacht war verloren.
Auf beiden Seiten gab es hohe Verluste. Ehe der König den Rückzug befahl, war fast die Hälfte seiner Armee gefallen. Doch Eadwig zählte nicht dazu. Er lag schwer verletzt im Lazarettzelt in dem Lager, das siekaum fünf Meilen von Gerberoi entfernt, aber auf der normannischen Seite der Grenze errichtet hatten. Er hatte eine häßliche Platzwunde an der Schläfe, vor allem aber eine tiefe Fleischwunde am Schwertarm, und der Feldscher wollte noch keine Prognose abgeben, ob der Arm gerettet werden könne oder nicht. Eadwig hatte furchtbar viel Blut verloren und lag in tiefer Bewußtlosigkeit.
»Gott, er ist so blaß. Und er rührt sich überhaupt nicht. Er atmet kaum«, sagte Rufus erstickt und starrte unverwandt auf ihn hinab. Er selbst hatte nur einen Kratzer an der Schulter davongetragen, und er hatte den Wundarzt, der ihn vor dem schwerverletzten Eadwig hatte verbinden wollen, in solcher Schärfe
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