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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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anderswo dringend gebraucht wurden, und die Sicherheit ernstlicher gefährdete, als es der König von Frankreich, der König von Schottland, der Herzog von Flandern oder die feindlichen Kräfte im Maine und der Bretagne je vermocht hätten. Anfangs lehnte der König empört ab. Sein ältester Sohn hatte gegen göttliches Gebot und natürliches Gesetz verstoßen, hatte seinem Vater erst den Gehorsam verweigert und ihn dann obendrein bei Gerberoi gedemütigt – William stand der Sinn nicht nach Aussöhnung, sondern nach Genugtuung. Nach Rache. Doch nach und nach zeigten die hartnäckigen Bemühungen der Vermittler erste Erfolge. Wieder einmal war es vor allem Montgomery, der den richtigen Ton fand. Hatte denn nicht sein eigener Sohn sich genauso gegen Gott, König und Vater versündigt? Gar die verhängnisvolle Rauferei angezettelt, die zum Bruch zwischen dem König und dem Prinzen geführt hatte? Saßen sie als Väter nicht praktisch im selben Boot, waren sie nicht gleichermaßen gekränkt und beleidigt worden? Genau wie all die anderen Väter, die nach Rouen geeilt waren? Wenn sie alle gewillt waren, ihren Söhnen zu vergeben, konnte der König es nicht auch? Mußte er das nicht sogar? Durfte er die Kränkung als Vater über seine Pflichten als Herzog und König stellen? Und so weiter und so fort. Als die Eisschollen auf der Seine zu schmelzen begannen, die ersten verwegenen Narzissen im struppigen Gras erblühten und die Fastenzeit einsetzte, hörte der König schließlich auf zu toben und fing an zuzuhören. Matilda verstärkte mit ihrem unverminderten Einfluß die Fraktion der Vermittler. Und als Prinz Robert seinem Vater schließlich einen Boten schickte, ließ der König ihm nicht den Kopf abschlagen, um ihn Robert zurückzusenden,wie er ursprünglich beabsichtigt hatte, sondern hörte ihn nach nur drei Tagen Wartezeit an. Alle atmeten erleichtert auf.
    »Dieser Bote war ein extrem nervöses Knäblein, das kannst du mir glauben«, berichtete Cædmon Wulfnoth. »Als ich ihm die Nachricht brachte, daß der König ihn empfangen wolle, wurde ihm so schlecht, daß ich mich in Sicherheit bringen mußte, damit er mir nicht auf die Schuhe spuckte.«
    Wulfnoth seufzte tief. »Man kann’s ihm kaum verübeln. Und? Was hatte Prinz Robert seinem Vater zu sagen?«
    »Daß er ihr Zerwürfnis zutiefst bedauert.«
    »Guck an. Das heißt, Robert ist endgültig pleite, ja?«
    Cædmon nickte. »Es sieht danach aus. Offenbar hatte Philip von Frankreich sich mehr von Gerberoi versprochen, als Robert erreicht hat, und hat ihm weitere finanzielle Unterstützung verwehrt. Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Vielleicht hat es Robert auch einfach erschüttert, daß sein Vater beinah gefallen wäre, und er ist sich des Ausmaßes seiner Sünde bewußt geworden. Jedenfalls ist er auf Versöhnung aus und bescheiden geworden. Keine Rede mehr davon, daß er die Herzogswürde verlangt.«
    »Sondern was?«
    »Ein uneingeschränktes Pardon für sich selbst und seine Getreuen. Und die erneute Zusicherung, daß die Normandie nach dem Tod des Königs an ihn fällt.«
    Wulfnoth brummte. »Hm. Dahinter könnte durchaus Philip von Frankreich stecken.«
    Cædmon nahm einen Schluck aus seinem Becher und drehte ihn dann versonnen zwischen den Händen. »Möglich. Aber auf jeden Fall sieht es so aus, als werde der Familienkrach in absehbarer Zeit beigelegt. Zu schade, daß erst ein paar hundert gute Männer wie Toki Wigotson dafür ihr Leben lassen mußten …«
    Ein leises Klopfen unterbrach ihn; im nächsten Moment öffnete sich die Tür, und Eadwig trat ein.
    Wulfnoth lächelte ihm entgegen. »Was macht der Schwertarm, wackerer Eadwig? Kannst du schon wieder einen Bierkrug damit stemmen? Dann setz dich zu uns.«
    Eadwig trat grinsend näher. »Er ist so gut wie neu.« Zum Beweis bewegte er den tadellos verheilten rechten Arm ein paarmal auf und ab. »Cædmon, eine der Wachen hat mir eine Nachricht für dich aufgetragen.«Sein Bruder sah ihn an. »Und?«
    Eadwig hob beklommen die Schultern. »Etienne fitz Osbern verlangt nach dir.«
     
    Cædmon dachte unbehaglich, daß er für dieses Treffen nicht bereit war, was immer Etienne auch von ihm wollte. Er ging trotzdem noch am selben Abend zu ihm, denn er wußte, daß er sich dieser Begegnung am nächsten oder übernächsten Tag ebensowenig gewachsen fühlen würde.
    Als er die Außentreppe zum Gewölbe hinabstieg, spürte er eine Gänsehaut auf den Armen, die nichts mit der kühlen Aprilnacht zu tun

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