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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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auf. »Geh nur. Ich bleibe bei ihm.«
    Leif wollte widersprechen, als ein kleiner Tumult am Zelteingang sie ablenkte. Zwei Soldaten versuchten, sich an einem Feldscher vorbeizudrängen, der sich ihnen tapfer in den Weg gestellt hatte.
    »Was fällt euch ein?« zischte er. »Ihr könnt hier nicht einfach so hereinplatzen …«
    »Befehl des Königs«, entgegnete einer der Männer unbeeindruckt, und als der Arzt ihnen daraufhin nicht umgehend ehrfurchtsvoll Einlaß gewährte, stieß der Soldat ihn rüde beiseite. Zusammen mit seinem Kameraden schritt er die beiden Reihen der Strohlager entlang und sah sich suchend um. Vor Etienne fitz Osbern blieb er stehen und stemmte die Hände in die Hüften. »Steht auf. Wenn Ihr nicht könnt, schleifen wir Euch eben raus.«
    Cædmon machte drei lange Schritte und packte den Rohling am Arm. »Was erlaubst du dir eigentlich, du Ochse?«
    Der Mann machte einen linkischen kleinen Diener vor Cædmon, sagte aber mit unveränderter Entschlossenheit: »Dieser Mann ist ein Verräter, Thane, und der König hat uns angewiesen, ihn zu ihm zu bringen.« »Das ist lächerlich. Der König muß doch …«
    »Ich komme«, sagte Etienne. Seine Stimme war leise, aber eigentümlich durchdringend. Alle sahen ihn an, während er sich langsam aufrichtete. Er stützte den geschienten linken Arm mit der rechten Hand und hielt den Kopf einen Moment so tief gesenkt, daß sie sein Gesicht nicht sehen konnten.
    »Macht mir eine Schlinge«, sagte er zu niemand Bestimmtem, und nach kurzem Zögern ergriff eine der Wachen ein fleckiges Stück Leinen, das in der Nähe lag, faltete es, knotete es zusammen und reichte es ihm.
    Etienne nickte. »Danke.« Er legte sich die Schlinge um den Hals und steckte den gebrochenen Arm hinein. Dann sah er auf.
    »Etienne … Was hat das zu bedeuten?« fragte Cædmon verständnislos. Die dunklen Augen sahen ihn unverwandt an. Ihr Ausdruck war rätselhaft, unmöglich zu deuten.
    »Ich weiß es nicht, Cædmon«, sagte er. Er sprach langsam, beinah überdeutlich. »Aber wo immer sie mich hinbringen, ich bin lieber dort als hier. Mir ist alles gleich, solange ich dich nicht sehen muß. Und wenn sie mich in den nächstbesten finsteren Winkel führen, um mir dort die Kehle durchzuschneiden, soll es mir auch recht sein. Hauptsache, du bist nicht dort. Verstehst du?«
    Cædmon wandte den Blick ab und nickte stumm.
    Etienne ließ ihn stehen, machte zwei entschlossene Schritte und brach dann ohne einen Laut bewußtlos zusammen.
    Der Arzt hastete herbei. »Ich hab’s ja gesagt, er darf nicht aufstehen. Er hat eine schwere Kopfverletzung und braucht Ruhe.«
    »Die kriegt er«, versprach einer der Soldaten höhnisch und beugte sich über Etienne, um ihn aufzuheben und sich über die Schulter zu werfen. »Hände weg«, sagte Cædmon leise. »Wag es nicht, ihn anzurühren.« Die Soldaten zögerten und sahen ihn unsicher an. »Aber der König hat uns befohlen, ihn zu ihm zu bringen.«
    Cædmon nickte und wandte sich kurz zu Leif um. »Würdest du bei Eadwig bleiben?«
    »Natürlich.«
    Cædmon brach sich fast das Kreuz, als er Etienne aufhob, denn sie waren etwa gleich groß und gleich schwer. Aber er bemühte sich, jedes noch so leise Ächzen zu unterdrücken und keine Miene zu verziehen, lehnte angebotene Hilfe entrüstet ab und hoffte, daß, wo immer der König auch sein mochte, es nicht weit bis dorthin war.
    Williams Zelt war tatsächlich nur einen Steinwurf vom Lazarettzelt entfernt. Als Cædmon, dicht gefolgt von den beiden Wachen, eintrat, hielt der König in seinem ruhelosen Marsch durch den kleinen Raum inne und sah ihnen mit grimmiger Miene entgegen. Sein rechter Unterarm war blutverschmiert und unverbunden, bemerkte Cædmon.Vermutlich hatte der König den Arzt, der ihn verbinden wollte, mit einem Tritt zum Teufel gejagt.
    Hoch aufgerichtet stand William in der Zeltmitte, so daß das immer noch rabenschwarze Haar die durchhängende Decke berührte, und verschränkte die Arme.
    »Was für ein rührendes Bild«, höhnte er bitter. Dann fuhr er die Wachen an: »Habe ich nicht gesagt, ihr sollt ihn in Ketten legen?«
    »Sire … Der Thane hat ja nicht erlaubt, daß wir …«
    »Und wem seid ihr dienstpflichtig? Dem Thane of Helmsby oder mir?« Sie stammelten Unverständliches, und der König scheuchte sie mit einem angewiderten Wink hinaus. Dann sagte er zu Cædmon: »Legt ihn schon ab, ehe Ihr zusammenbrecht.«
    Vorsichtig ließ Cædmon Etienne auf den mit Fellen bedeckten Boden

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