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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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vorstellen, daß der König nur wenig besänftigt war, als er die Umstände erfuhr«, murmelte Aliesa.
    Cædmon sah blinzelnd zur Sonne. »Du kennst ihn wirklich gut. Nein, er war vielleicht noch wütender auf mich als vorher. Er glaubte, Gott habe Etienne seine Krankheit geschickt, um ihn für seinen angeblichen Verrat zu strafen, und ich hätte mir angemaßt, Gottes Plan zu durchkreuzen.«
    »William kennt wirklich kein Erbarmen.«
    »Nein.«
    »Und wie ging es weiter?« fragte sie.
    »Na ja. Er hat ein paar Tage getobt und mir lebenslange Kerkerhaft angedroht und ewiges Höllenfeuer prophezeit, und schließlich hat er sich beruhigt. Die Königin hat ihm ins Gewissen geredet, erzählt Wulfnoth, und ihm gesagt, er dürfe Etiennes letzten Willen nicht mißachten. Schließlich ließ er mich zu sich kommen und gab mir die Erlaubnis, dich aus dem Kloster zu holen und zu heiraten und nach England zu bringen, wohin er bald zurückkehren wird. Vater Maurice legte mir als Buße auf, vierzig Tage ins Kloster zu gehen und zu schweigen und zu fasten und so weiter. Er sagte, das werde eine heilsame Wirkung haben. Und er hatte recht, weißt du. Ich bin nach Caen geritten, um meine Buße zu erfüllen, weil ich in deiner Nähe sein wollte. Da kam ich langsam wieder zu Verstand. Und ich erhielt einen Brief von Odo, in dem er sagte, alles sei arrangiert und ich könne dich holen, falls du gewillt seiest, mit mir zu gehen. Gestern waren die vierzig Tage um. Ich habe das Boot gekauft und ein paar andere Kleinigkeiten und die Nacht vor eurer Klosterpforte verbracht.«
    »Mir hat Bischof Odo auch geschrieben«, sagte sie. »Es war ein sehroffener und freundschaftlicher Brief. Er schrieb, wenn ich dich heirate, müsse ich damit rechnen, daß viele sich endgültig von mir abwenden. Daß alle sich nur daran erinnern werden, daß du Etienne getötet hast, nicht daran, wieso und unter welchen Umständen.«
    »Er hat sicher recht. Genau so wird es kommen.«
    Er sah sie an. Ihre Augen waren voller Furcht und Zweifel, und davon wurde ihm himmelangst. Er strich mit dem Zeigefinger über ihre leicht gerunzelte Stirn und wollte irgend etwas sagen, um die Zweifel zu zerstreuen, aber sie fuhr fort:
    »Er schrieb, der einzig ehrenvolle Ausweg für mich sei, im Kloster zu bleiben, und das gleiche gelte für dich. Hört auf die Stimme Eures Herzens , riet er mir, aber seid Euch darüber im klaren, daß Ihr kein unbeschwertes Glück und keinen Frieden finden werdet, wenn Ihr Cædmon of Helmsby heiratet. «
    Er senkte den Blick. »Und? Bist du gewillt, darauf zu verzichten?«
    Sie legte beide Hände auf sein Gesicht und sah ihm in die Augen. »Unbeschwertes Glück, falls es so etwas gibt, war uns nie beschieden, und das haben wir immer gewußt. Ich konnte bislang darauf verzichten, und das kann ich wohl auch in Zukunft. Die Frage ist, kannst du ohne Ehre leben, Cædmon? Denk darüber nach, ehe du antwortest. Es wäre bitter, wenn du eines Morgens aufwachst und feststellst, daß der Preis zu hoch war.«
    Er schnaubte, es war fast ein kleines Lachen. »Meine Ehre hängt nicht mehr so sehr davon ab, wie andere Menschen meine Taten beurteilen. Was in den Augen der Normannen ehrenvoll ist, betrachten die Engländer vielleicht als schändlich, und umgekehrt. Ich habe den Versuch schon vor langer Zeit aufgegeben, es allen recht machen zu wollen, es ist einfach unmöglich. Ich glaube inzwischen, daß Ehre eine sehr persönliche Sache ist, weißt du.« Er umfaßte ihre Oberarme, zog sie näher an sich und sagte leise: »Heirate mich, und die Welt soll zum Teufel gehen.«
     
    Es war ein herrlich warmer Sommertag, und die Mittagssonne glitzerte und funkelte auf der tiefblauen See. Zu ihrer Rechten erhob sich eine gewaltige Steilküste aus weißem Kalkstein, die Cædmon immer so sehr an die Südküste Englands erinnerte.
    Als sie dem Verlauf der Klippen um eine sanfte, südöstliche Biegung folgten, eröffnete sich ihnen plötzlich ein Blick auf das monumentalsteWunder der Schöpfung, das Cædmon je gesehen hatte. Er atmete tief durch, luvte an und steuerte hart am Wind darauf zu.
    Er hörte Aliesa scharf die Luft einziehen. »Heilige Jungfrau … was ist das?«
    Vor ihnen lag ein weißer Felsen, der aus der Steilküste weit aufs Meer hinausragte. Doch war diese Klippe nicht massiv, sondern von einem gewaltigen Rundbogentor durchbrochen, zehnmal so hoch wie jedes von Menschen geschaffene Tor – ein Portal mitten im Meer.
    Er sah sie lächelnd an. »Du kennst es

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