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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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und doch kreuz und quer durcheinander; von hier oben konnte man keine Wege erkennen, die sich dazwischen entlangschlängeln mochten. Etwa in der Mitte dieses aberwitzigen Gewirrs erhob sich eine große Kirche. Die ganze Stadt war von einer hohen Wehranlage umringt, die teilweise aus Stein, teilweise aus Palisaden bestand. Nahe am Fluß erhob sich ein gewaltiges Bauwerk, das große Ähnlichkeit mit Guy de Ponthieus Burg in Beaurain aufwies.
    »Mein Gott …«, hauchte Cædmon. »Wohnen in all diesen Häusern Menschen? Wo sind ihre Felder? Wo halten sie ihr Vieh?«
    Das fremdartige Häusergewühl dort unten im Tal machte ihm angst. Und er war so furchtbar müde. Eine Weile saß er einfach nur mit hängenden Schultern im Sattel und wartete, daß genug Mut in sein Herz und genügend Kraft in seine Glieder zurückkehrten, um den letzten Abschnitt seiner Reise in Angriff zu nehmen.
    Dann hörte er hinter sich Hufschlag. Der Schreck fuhr ihm in die Knochen, er sah sich gehetzt nach einem Versteck um, wo er und der Schimmel in Deckung gehen konnten, aber schon preschten vier geharnischte Reiter über den Hügelkamm und hielten genau auf ihn zu. Einer trug eine Standarte mit einem gelben Löwen auf rotem Grund. Cædmon seufzte erleichtert. Selbst er hatte von diesem Wappen gehört. Dies waren nicht Guys Männer.
    »Mach Platz, Junge!« brüllte der vordere Reiter, und Cædmon lenkte den Schimmel zum Straßenrand. Als die vier Pferde vorbeizogen, schnaubte seines und nickte aufgeregt.
    Cædmon kam eine verwegene Idee. Er schüttelte die Zügel auf. »Ja, lauf nur, wenn du noch kannst. Los.«
    Sein ausdauernder Gefährte nahm die Verfolgung auf und hatte die Gruppe bald eingeholt. Cædmon hielt ihn ein wenig zurück, damit er die Reiter des Herzogs nicht überholte, schloß aber dicht genug auf, daß es den Anschein erwecken mußte, er gehöre dazu. So gelangte er unangefochten durchs Stadttor, durch die Gassen des irrsinnigen Häusergewühls geradewegs über die Zugbrücke der gewaltigen Burg.
    Erst als die Reiter im Hof anhielten, bemerkten sie ihren ungebetenen Begleiter.
    »Was willst du hier?« fuhr der Bannerträger ihn an. »Wer bist du?« Cædmon glitt aus dem Sattel. »Mein Name ist Cædmon of Helmsby«,keuchte er ausgepumpt. »Ich komme aus England, der Earl of Wessex schickt mich. Und ich muß sofort zu Eurem Herzog. Wirklich, es ist … sehr wichtig. Sagt mir, wo ich ihn finde.«
    Der Mann neben dem Bannerträger zog den Helm vom Kopf und enthüllte ein kantiges Gesicht mit einem blauen Bartschatten auf Kinn und Wangen, einer strengen Hakennase und fast schwarzen Augen unter buschigen Brauen.
    »Er steht genau vor dir, Cædmon of Helmsby.«
     
    Cædmon stockte beinah der Atem. Das lahme Bein knickte unter ihm weg, und ebenso aus Schwäche wie aus Ehrfurcht sank er auf ein Knie nieder.
    »Der Earl of Wessex war im Auftrag König Edwards unterwegs zu Euch, Monseigneur«, stammelte er. »Ich … wir …« Gott, reiß dich zusammen, zischte eine Stimme in seinem Kopf, die Guthrics hätte sein können. Er sammelte seine Gedanken und hob den Kopf. »Wir gerieten in einen Sturm, wurden abgetrieben und erlitten vor der Küste des Ponthieu Schiffbruch. Comte Guy nahm die vierzehn Überlebenden gefangen, darunter auch Earl Harold, um sie Euch gegen Lösegeld anzubieten.«
    William verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust. Er war hochgewachsen – an die sechs Fuß – und wirkte ungeheuer kräftig, so als könne er mit zweien seiner kurzen Finger mühelos eine hundertjährige Eiche ausreißen. »Und wie kommst du dann hierher?«
    »Ich bin geflohen.«
    »Ah. Also bist du der Wackerste in Harolds Gefolge?«
    Cædmon konnte ein ironisches Grinsen nicht ganz unterdrücken. »Ich bin der Jüngste und hab dazu ein lahmes Bein. Darum haben sie auf mich am wenigsten aufgepaßt.«
    William erwiderte das Lächeln, und es machte sein Gesicht unerwartet spitzbübisch und gutaussehend. »Ist dein Vater Ælfric of Helmsby?« Cædmon machte große Augen. »Ihr kennt ihn?«
    »O ja. Als Kinder haben wir zusammen Äpfel gestohlen und sind in der Seine um die Wette geschwommen. Und wenn ihm der Sinn danach stand, hat er mich erbarmungslos damit gehänselt, daß meine Mutter nicht die Frau meines Vaters war. Du darfst dich im übrigen erheben.« Cædmon lief feuerrot an, stützte die Hände auf und kam mit Mühe auf die Füße. Er wußte beim besten Willen nicht, was er darauf erwidernsollte, und kam zum erstenmal auf den Gedanken,

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