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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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nie über Cædmons Reibereien mit dem König lachen. Sie fürchtete immer, daß Williams Zorn – die einzige Schwäche, bei der er kein Maß kannte – sie alle eines Tages ins Unglück stürzen würde.
    Cædmon winkte verlegen ab. »Es war nicht der Rede wert.«
    Rufus streifte Aliesa mit einem ungehaltenen Blick. Vermutlich bemerkt er sein Stirnrunzeln nicht einmal, fuhr es Cædmon durch den Kopf. Der Prinz war wirklich kein großer Freund von Frauen, war im Umgang mit ihnen noch unbeholfener als Guthric und schien sie meist als lästige Plage zu empfinden, etwa so wie eine Schar lärmender Kinder. Henry hingegen verneigte sich galant vor Aliesa, schien wie immer beglückt, sie zu sehen, und fragte ehrlich besorgt: »Geht es dir nicht gut? Du kommst mir sehr blaß vor.«
    Sie legte ihm lächelnd die Hand auf den Arm. »Es ist ein heißer Sommer, mein Prinz, und Hitze bekommt mir nicht. Aber davon abgesehen erfreue ich mich bester Gesundheit.«
    »Ist sie schwanger?« raunte Ælfric seinem Vater in eher englischer Direktheit ins Ohr.
    Cædmon nickte beinah unmerklich.
    Eadwig, der ein paar Schritte zur Linken mit Leif und Wulfnoth stand, hob den Kopf und lauschte. »Da kommt der König«, verkündete er leise.
    Der kleine Kreis löste sich auf, stob fast schuldbewußt auseinander. Tuschelnde Gruppen erregten heutzutage leicht Williams Argwohn. Die Prinzen nahmen ihre Plätze an der hohen Tafel ein, Cædmon, Aliesa und Eadwig die ihren oben an der linken Seite, und die Knappen Ælfric und Wulfnoth begaben sich ans untere Ende.
    Ein eher schlichtes Fischgericht wurde aufgetragen. Außerhalb der drei Hoffeste im Jahr wurde an Williams Tafel in den letzten Jahren fast kärglich gespeist, vor allem freitags. Der Bischof von Sarum, der als Gast an der hohen Tafel saß, stierte lustlos auf den faden Kabeljau hinab.
    »Ich bedaure, daß die Speisen in meiner Halle nicht nach Eurem Geschmack sind, Monseigneur«, sagte William mit einem trügerischen Lächeln.
    Der Bischof fuhr schuldbewußt zusammen. »Aber ganz und gar nicht, Sire …« Wie zum Beweis schob er sich hastig einen vollen Löffel in den Mund.
    »Dann ist es ja gut«, erwiderte William. »Es ist bedenklich, wenn ein Bischof gar zu großen Wert auf Tafelfreuden und anderen weltlichen Tand legt.«
    »Da gebe ich Euch vollkommen recht«, pflichtete der Bischof bei.
    Der König nickte zufrieden und fuhr im Plauderton fort: »Enthaltsamkeit ist der einzige Pfad zur Tugend, so will es mir scheinen. Ich kannte einmal einen Bischof, der den Versuchungen des Fleisches einfach nicht widerstehen konnte, ganz gleich, ob es sich um Erdbeeren oder schöne Frauen handelte. Und wißt Ihr, wo er heute ist?«
    »Vater, bitte«, murmelte Henry an seiner Seite seufzend.
    Der König ignorierte seinen Sohn und sah seinem Gast unverwandt in die Augen.
    Der Bischof, ein älterer Mann, der noch ein wenig wohlbeleibter war als William, ließ den Löffel langsam sinken. Die Hand bebte. Das runde Vollmondgesicht war bleich geworden. Er wußte sehr genau, von welchem Bischof der König gesprochen hatte. Was er hingegen nicht wußte,war, was er sich hatte zuschulden kommen lassen, warum William ihm so unmißverständlich drohte. Nach den Gesetzen, die der König gemeinsam mit Lanfranc und in Übereinstimmung mit den Wünschen des Papstes in England eingeführt hatte, konnte er über keinen Bischof oder Mönch oder Priester richten. Doch seit Odos Verhaftung fühlte sich kein Kirchenmann mehr vor der Willkür des Königs sicher.
    »Sire, wenn ich irgend etwas getan habe, das Euer Vertrauen in mich erschüttert hat …«
    »Es gibt keinen Mann unter meinen Vasallen oder in meinem Kronrat oder in meiner Familie, dem ich noch uneingeschränkt traue, Monseigneur«, entgegnete der König lapidar.
    »O mein Gott, Sire, wie könnt Ihr so etwas sagen?« murmelte Henry, der sich an die himmelschreienden Ungerechtigkeiten, die sein Vater neuerdings so bedenkenlos äußerte, noch nicht gewöhnt hatte.
    »Noch ein Wort und du verläßt die Halle, Henry«, fauchte William, ohne ihn anzusehen.
    »Ja, es ist besser, du hältst den Mund«, riet auch Rufus seinem Bruder eindringlich.
    Der Bischof schüttelte den Kopf, als habe er einen Schlag ins Gesicht bekommen. »Aber Sire … Jeder Eurer Vasallen, jeder Eurer Untertanen ist Euch treu ergeben! Haben sie Euch nicht alle einen Treueid geschworen?«
    »Und wer hätte ihn nicht irgendwann gebrochen?« konterte der König unbeeindruckt.
    »Roger de Montgomery,

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