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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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wahrheitsgemäße Angaben gemacht, weil sie Euren Zorn fürchteten.«
    Der König trank. »Gut.«
    »Vielen hat schon die Befragung angst gemacht. Und natürlich war es ihnen unheimlich, daß alles, was sie sagten, aufgeschrieben wurde. Ein Priester in Colchester fragte, ob es dieses Buch sei, das der Engel beim Jüngsten Gericht aufschlagen werde. Es gab Gelächter, aber das Wort hat die Runde gemacht. Im ganzen Osten nennen sie es das ›Domesday Book‹ – das Buch vom Tage des Weltenendes.«
    William verzog spöttisch einen Mundwinkel. »Das wird es zumindest für all jene sein, die unrichtige Angaben gemacht haben.«
    »Und wie geht es mit der Auswertung voran?« fragte Cædmon neugierig.
    »Langsamer als mir lieb ist. Aber mein erster Eindruck ist, daß ich recht zufrieden sein kann. England ist ein ertragreiches, alles in allem wohlgeordnetes und gut bewirtschaftetes Land.«
    Cædmon nickte. Zu der gleichen Erkenntnis war er auch gekommen und hatte bei sich gedacht, was zwanzig Jahre Ruhe vor dänischen Überfällen doch für einen Unterschied machten. Das war zweifelsfrei Williams Verdienst. Vor allem auf dem Land ging es den meisten Leuten besser als vor der Eroberung, trotz der hohen Steuern. Nur in Northumbria, wo die Todesreiter gewütet hatten, sah es anders aus. Die königlichen Beamten, die die Erhebung dort im Norden durchführten, hatten weite Landstriche nach wie vor entvölkert vorgefunden und nur einen einzigen Satz eingetragen: Hoc est wasta – Dies ist ein Ödland. »Trotzdem werde ich noch einmal neue Kommissionen zusammenstellen, die die Erhebung überprüfen sollen«, unterbrach der König seine Gedanken. »Und dieses Mal werden es nur Fremde sein, die die Leute befragen. Nicht ihr Sheriff, ganz sicher nicht ihr Thane.«
    Cædmon war erschrocken. »Aber … das werden die Leute nicht verstehen. Sie …«
    »Was sollte mich das kümmern? Ich selber werde bis zum Eintreffen der verdammten dänischen Flotte durchs Land reisen und mich vergewissern, daß meine Anweisungen befolgt werden.«
    »Sire, Ihr provoziert Unruhen.«
    Erstaunlich behende schoß der König aus seinem Sessel hoch. »Ah ja? Nun, vielleicht sollte ich bekanntmachen lassen, daß ich bis zum Abschluß der Erhebung den Thane of Helmsby als Geisel behalte und ihn blenden lasse, sobald der erste Engländer sich meinen Kommissaren widersetzt!«
    Cædmon spürte den altvertrauten heißen Stich der Angst, den Williams Drohungen ihm seit jeher verursachten, aber er hatte zumindest gelernt, seine Empfindungen vor ihm zu verbergen. »Nur blenden, mein König? Das geschieht so vielen Engländern jeden Tag, es wird niemanden sonderlich beeindrucken.«
    Einen Augenblick fürchtete er, seine Flucht nach vorn habe ihn ins Verderben geführt. Williams Augen wurden trüb, sein berüchtigter Jähzorn, der ihn in den vergangenen Jahren mehr beherrschte denn je, drohte hervorzubrechen, und dann war alles möglich, wußte Cædmon, dann konnten mit unglaublicher Schnelligkeit die fürchterlichsten Dinge geschehen. Aber diesmal hatte er Glück. Der König beschränkte sich darauf, den kostbaren Silberpokal in seine Richtung zu schleudern. Cædmon duckte sich kurz, und das Geschoß sauste über seinen Scheitel hinweg. Ein klebriger, nach Äpfeln duftender Schauer ging auf ihnnieder, ehe der Becher scheppernd von der Wand abprallte und dann unrund, eingedellt über die Steinfliesen rollte.
    »Geht mir aus den Augen, ehe ich mich vergesse«, riet der König tonlos.
     
    Die Prinzen, Eadwig und Cædmons Söhne waren zur Jagd in den Neuen Forst geritten, so daß der Thane erst abends in der Halle Gelegenheit bekam, sie zu begrüßen.
    »Cædmon!« Rufus umarmte ihn herzlich. »Gott sei Dank, der Löwenbändiger ist zurück.«
    »Sag das nicht«, knurrte der Angesprochene verdrossen.
    Rufus lachte übermütig. Es war ein schönes, ansteckendes Lachen. Cædmon dachte manchmal, daß Rufus die Persönlichkeiten beider Eltern in eigentlich unvereinbarer Weise in sich trug und dieses arglose, herzliche Lachen eine der schönsten Gaben war, die seine Mutter ihm vermacht hatte.
    »Kaum zurück, und schon seid ihr wieder aneinandergeraten?« mutmaßte der Prinz. »Du solltest dir endlich abgewöhnen, ihn unnötig zu reizen, weißt du. Eines Tages wird er eine seiner Drohungen wahrmachen.«
    Cædmon nickte grimmig. »So wie der Löwe früher oder später immer seinen Wärter zerfleischt.«
    »Was hat es denn gegeben?« fragte Aliesa. Anders als Rufus konnte sie

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