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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Menschen zu sehen.«
    Aliesa erhob sich, um ihm auf diplomatische Weise zu sagen, daß sie nicht weiter über das Thema zu debattieren gedachte. »Ich muß mit Irmingard und der Amme reden und ein paar Vorbereitungen treffen. Wir sehen uns zum Essen. Und wenn du ausnahmsweise einmal einen Rat von deiner Frau annehmen willst, Cædmon: Nimm ein Bad.«
Winchester, Juli 1086
    »Wie nett, daß Ihr meiner Einladung schon gefolgt seid, Thane«, grollte der König, gestattete Cædmon aber mit einer nachlässigen Geste, sich zu erheben.
    »Wir haben Euch in Westminster knapp verpaßt, Sire. Dort sagte manuns, Ihr seiet in London. Als wir zum Tower kamen, eröffnete uns der Kommandant, ihr seiet bereits nach Oxford aufgebrochen und …«
    »Ja, vielen Dank, ich bin über meinen Aufenthalt während der letzten Wochen durchaus im Bilde. Habt Ihr irgendwelche Einwände dagegen, daß ich mein Land und meine Güter inspiziere?«
    »Ähm … ich glaube nicht, Sire.«
    William sah ihm in die Augen. Nichts regte sich in seinem feisten Gesicht, aber der Blick der schwarzen Augen war eine solche Drohung, daß Cædmon der Schweiß ausbrach. Er biß sich auf die Zunge und rief sich ins Gedächtnis, daß der König allen Humor verloren hatte, den er je besessen haben mochte, und daß bissige Bemerkungen in seiner Gegenwart lebensgefährlicher denn je waren.
    William war fett geworden. Rufus hatte bei einem der Gelage, die er so gern mit seinen Vertrauten abhielt, einmal bemerkt, sein Vater sehe aus wie eine aufgeblasene Kröte. Cædmon hatte ihm eindringlich geraten, die Zunge zu hüten und seinen Weinkonsum einzuschränken, doch Rufus hatte wie meistens die Wahrheit gesagt. Niemand vermochte zu erklären, wovon der König so dick geworden war. Seit dem Tod der Königin aß und trank er noch lustloser als früher. Unter den Engländern ging das Gerücht, er fresse all das Gold und Silber, das er dem Volk abpreßte… Doch seine Leibesfülle ließ William nicht gutmütig wirken, wie es bei so vielen anderen dicken Menschen der Fall war. Zusammen mit seiner enormen Körpergröße machte sie ihn nur noch massiger, gewaltiger und bedrohlicher. Jeder, dem der König entgegentrat, mußte den Instinkt niederringen, zurückzuweichen.
    Aber jetzt ließ William Cædmon noch einmal vom Haken. Er lehnte sich in seinem ausladenden Sessel zurück und schlug die Beine übereinander. »Was haltet Ihr vom Tower?«
    Cædmon brauchte seine Begeisterung nicht zu heucheln. »Er ist großartig. Eine Burg aus weißem Stein. Ich muß gestehen, als die Bauarbeiten anfingen, konnte ich mir nichts Rechtes darunter vorstellen. Aber Eure Baumeister haben nicht zuviel versprochen. Schönheit und Stärke lassen sich durchaus verbinden. Der Tower of London ist ohne Zweifel Eure schönste Burg, Sire, und uneinnehmbar.«
    William betrachtete ihn einen Augenblick versonnen, neigte den Kopf ein wenig zur Seite und sagte: »Ich wünschte, es gäbe mehr Engländer wie Euch, die so bereitwillig von den Normannen lernen. Stolz nicht mit Halsstarrigkeit verwechseln.«
    Cædmon deutete ein Kopfschütteln an. »Alle Engländer lernen von den Normannen, genau wie umgekehrt. Und was Halsstarrigkeit angeht, stehen Normannen den Engländern in nichts nach, meine ich.« »Vielleicht habt Ihr recht. Wenn man meinen Bruder Odo und meinen Sohn Robert betrachtet, sieht es in der Tat so aus. Seid so gut, schenkt mir einen Becher Cidre ein, Thane.«
    Ich bin zwar nicht dein Mundschenk, aber bitte, meinetwegen, dachte Cædmon, trat an den Tisch unter dem kleinen Fenster und füllte einen mit Edelsteinen besetzten Silberpokal aus einem passenden Krug.
    »Wünscht Ihr, daß ich ihn vorkoste, Sire?«
    William grinste humorlos. »Nein. Der Diener, der ihn gebracht hat, hat das vorhin getan, und Ihr seid beinah der einzige Mann auf der Welt, dem ich nicht zutraue, Gift in meinen Becher zu rühren.«
    Cædmon wußte nicht, ob er geschmeichelt oder beleidigt sein sollte, und reichte William den Pokal kommentarlos.
    »Erzählt mir von der Erhebung, Cædmon. Waren meine Untertanen kooperativ? Meine Beamten ihrer Aufgabe gewachsen?«
    »Nein und nein«, wäre die ehrliche Antwort gewesen, aber Cædmon drückte es ein wenig diplomatischer aus. Er schilderte die Schwierigkeiten, auf die sie gestoßen waren, sagte aber abschließend: »Trotz alldem bin ich sicher, daß die Ergebnisse hinreichend präzise sind, um ihren Zweck zu erfüllen. Und soweit ich es beurteilen kann, haben die Menschen

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