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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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jedem Aufschlag war ein schwaches, helles »Plitsch« zu vernehmen, und eine winzige Fontäne glitzerte in der hellen Morgensonne. »Zehn … elf … zwölf … dreizehn … vierzehn. Oh, ich hasse dich, Cædmon of Helmsby!« Etienne ließ sich ins Gras fallen. »Eine Woche Stalldienst und Frühwache«, jammerte er. »Ich bin ein toter Mann.« »Und ein schlechter Verlierer«, bemerkte Cædmon spitz.
    Etienne lachte und stöhnte gleichzeitig. »Das kann ich einfach nicht glauben. Gott hat nicht gewollt, daß Steine fliegen. Wie machst du das?«
    »Das habe ich dir doch gezeigt.«
    »Nein, nein. Es muß ein Geheimnis geben, das du hütest, ich bin sicher. Du hast nicht fair gespielt. Ich hoffe, du denkst daran, wenn du das nächste Mal zur Beichte gehst, Cædmon.«
    Cædmon sah zur Sonne auf. »Ich schätze, jetzt sollten wir erst einmal zum Hochamt gehen, sonst kommen wir zu spät, und dann ist es aus mit dem Sonntagsfrieden.«
    Etienne wurde schlagartig ernst. »Du hast recht. Für diese Woche hatten wir wirklich genug Ärger.«
    »Allerdings. Und wem haben wir das zu verdanken«, grollte Cædmon leise, während sie nebeneinander zur Burg zurückeilten.
    Etienne antwortete nicht, aber er teilte Cædmons Verdacht.
    Mochte Cædmon auch unbestreitbar Jehan de Bellêmes bevorzugtes Opfer sein, schien es dennoch so, als lebe Lucien de Ponthieu sich noch schlechter auf der Burg von Rouen ein. Dabei hatte er es vergleichsweise leicht. Er war gut geschult im Umgang mit Lanze und Schwert, so daß er Jehans Unmut nicht in dem Maße auf sich zog wie Cædmon. Außerdem hatte er seine Zwillingsschwester hier bei Hofe. Natürlich sah er sie nicht oft. Sie war als Hofdame zu Herzogin Matilda gekommen, verbrachte die Tage mit ihr und den anderen jungen Damen am Hof, während Luciens Alltag sich meist fernab der Halle abspielte, auf dem Sandplatz, in Waffenkammern und Pferdeställen, bei der Wache oder in ihrem Quartier. Aber immerhin hatte er hier noch jemanden, der ihm nahestand, nachdem sein Vater heimgeritten war. Doch er fügte sich nur unwillig in seinen neuen Alltag und fand im Gegensatz zu Cædmon keinen Anschluß an seine neuen Kameraden. Etienne hatte sich jede erdenkliche Mühe gegeben, und Roland Baynard, der älteste von allen, hatte ebenfalls alles getan, um Lucien die harte Eingewöhnungszeit zu erleichtern. Aber der Junge schloß sich niemandeman, blieb zu allen hochmütig und kühl, und sein Versprechen war keine leere Drohung gewesen: Er ließ keine Gelegenheit verstreichen, um Cædmon das Leben schwerzumachen.
    »Ich kann nicht begreifen, was mit dem Kerl los ist«, murmelte Etienne kopfschüttelnd. »Er benimmt sich, als hätten alle sich gegen ihn verschworen.«
    Unerwartet nahm Cædmon Lucien in Schutz. »Auf die Idee kann man ohne weiteres kommen, wenn man hier fremd und neu ist.«
    »Ja, ich weiß. Trotzdem. Er tut sich selbst keinen Gefallen, wenn er so weitermacht. Komm, laß uns einen Schritt zulegen. Hörst du? Es läutet schon.«
     
    Die Glocke der Kapelle erschien Cædmon nach wie vor wie ein Wunder. Natürlich hatte er schon von Kirchenglocken gehört. Es gab sie auch in England. In London, Winchester und den reicheren Städten und Klöstern. Guthric hatte gar einmal behauptet, wenn der Wind günstig stehe, könne man in Helmsby die Glocke des Klosters von Ely hören. Heute war Cædmon der Überzeugung, sein Bruder hatte sich das wieder einmal nur in seiner blühenden Phantasie erdacht, ohne zu ahnen, wie eine Glocke sich wirklich anhörte. Denn diesen Klang, da war er sicher, hätte er auch aus weiter Ferne noch verwundert wahrgenommen. Es war ein heller, reiner Ton, der die Burgbewohner zur Messe rief, weithin hörbar bis in die entlegensten Ställe und auch jenseits der Palisaden in der Stadt. Die tieferen Glocken der großen Kathedrale, wo der Erzbischof das Hochamt hielt, machten ihr Konkurrenz, aber Cædmon zog den fröhlichen Klang der Glocke hier oben vor.
    Sie schlüpfen mit den letzten in die kleine Kirche, glitten unauffällig an ihre üblichen Plätze, und als Jehan stirnrunzelnd zu ihnen hinübersah, senkten sie schleunigst die Köpfe und beteten voller Inbrunst.
     
    Der Rest des Sonntags stand Cædmon zur freien Verfügung. Bis zur Vesper konnte er tun, was er wollte, und die Pläne für den heutigen Tag standen schon lange fest. Nach der Messe wartete er nahe des Burgtors in einem stillen Winkel hinter einem Vorratshaus. Der Innenhof leerte sich langsam, und Cædmon trat nervös von

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