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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Beutel.
    Als die Schatten schließlich länger wurden, brach Wulfnoth den Zauber. »Es wird Zeit, Cædmon. Wir haben noch einen ziemlich langen Rückweg vor uns.«
    Der Junge nahm die Hand von den Saiten, ließ sie auf dem birnenförmigenKorpus ruhen und nickte widerstrebend. »Ich wünschte, wir könnten hierbleiben. Gott, ich wünschte, das hier wäre ein englischer Wald.«
    Wulfnoth verzog das Gesicht zu einem melancholischen Lächeln. »Wenn man so jung ist wie du, hat man ehrgeizige Wünsche. Aber ich bin zufrieden, weißt du. Du hast mir einen langgehegten Traum erfüllt.« »Ich bin froh, Wulfnoth.«
    »Komm. Laß uns aufbrechen. Mir geht es wie einem Vogel nach langer Gefangenschaft; ich sehne mich nach der sicheren Vertrautheit meines Käfigs.«
    Cædmon steckte das Instrument in die Hülle, die Wulfnoth ihm entgegenhielt. »Das kann ich kaum glauben.«
    Wulfnoth zog die Lederschnur der Hülle zusammen und sah versonnen in die hellgrünen Wipfel hinauf. »Nein, du hast recht. Ich könnte ewig hierbleiben. Hör nur, die Vögel …«
    »Ja. Wunderschön. Ich möchte auch hierbleiben. Vielleicht sollten wir’s tun, weißt du. Die Gesetzlosen daheim hausen schließlich auch in den Wäldern.«
    Wulfnoth schüttelte lächelnd den Kopf. »Du würdest anders darüber denken, wenn Winter wäre.«
    »Mag sein. Ich bin nicht sicher.«
    Wulfnoth stand auf. »Komm. Ich will nicht undankbar sein. Es war ein herrlicher Tag. Und das ist genug.«
    Dir vielleicht, dachte Cædmon hitzig, aber was ist mit mir? Doch natürlich folgte er Wulfnoth zum Pfad zurück Richtung Stadt.
    Auch der Rückweg auf die Burg war genau geplant, wenn auch ein bißchen riskanter als das Manöver am Morgen. Cædmon hatte beschlossen, daß es das sicherste war, die Vesper zu versäumen. Kurz nach der Andacht wurde die Tagwache am Tor abgelöst, und die Leute aus der Stadt, die ein Anliegen an Guillaume fitz Osbern hatten oder mit einer Einladung zum Essen in der Halle geehrt wurden, fanden sich ein. Es war keine so dichtgedrängte Menge wie die Bettler am Morgen, aber doch genug Bewegung am Tor, hoffte Cædmon, daß die Wachen, die ohnehin mit der Ablösung beschäftigt waren, die zwei heimkehrenden Ausreißer nicht bemerkten.
    Tatsächlich kamen sie unbemerkt durchs Tor, und Cædmon verspürte Erleichterung und auch Genugtuung, daß er und Wulfnoth den Normannen ein Schnippchen geschlagen hatten. Der Gedanke bereiteteihm solches Vergnügen, daß er Guillaume fitz Osbern kaum zur Kenntnis nahm, der ihnen mit zwei Wachen entgegenkam. Vermutlich wollte der Seneschall irgendeinen der Ankömmlinge am Tor begrüßen. Erst als er genau auf sie zuhielt und dann vor ihnen stehenblieb, erkannte Cædmon, daß irgend etwas schiefgelaufen war. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
    Fitz Osbern stemmte die Hände in die Seiten, und sein kostbarer, dunkelblauer Umhang bauschte sich hinter ihm auf wie ein Segel. »Mir wurde gemeldet, Ihr habet die Burg verlassen, Wulfnoth.«
    Wulfnoth sah ihm in die Augen; wenn der eisige Blick und die schneidende Stimme ihm Angst einjagten, war sie ihm jedenfalls nicht anzumerken. »Und bin wieder zurückgekommen, ja.«
    Fitz Osbern hob gebieterisch die Hand und schüttelte den Kopf. »Trotzdem habt ihr gegen vereinbarte Regeln verstoßen.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, je einer Vereinbarung zugestimmt zu haben«, entgegnete Wulfnoth sarkastisch.
    »Sie wurde in Eurem Namen getroffen und bindet Euch. Ihr habt Euch als nicht vertrauenswürdig erwiesen, und darum stelle ich Euch unter Arrest, bis der Herzog zurückkommt und selbst entscheiden kann. Vorläufig in Eurem Quartier, aber solltet Ihr Euch weiterhin unwillig zeigen, Anweisungen zu befolgen, geht es auch anders. Und jeder weitere Kontakt mit Eurem Landsmann hier wird unterbleiben …«
    »Nein!« widersprach Cædmon impulsiv.
    Wulfnoth legte ihm schnell die Hand auf den Arm. »Es ist schon gut, Cædmon.«
    »Du«, sagte fitz Osbern zu Cædmon, und die beiden Engländer fragten sich flüchtig, wo man lernte, in ein einziges Wort soviel Herablassung zu legen. »Du gehst in dein Quartier. Ich bin sicher, Jehan wartet schon sehnsüchtig auf dich.«
    Cædmon unterdrückte ein Schaudern und nickte. Er konnte seiner Stimme nicht trauen. Fitz Osbern gab den Wachen ein Zeichen, und sie führten Wulfnoth höflich, aber bestimmt zum Hauptgebäude. Cædmon folgte, und sein Herz fühlte sich wie ein heißer Stein in seiner Brust an.
     
    Jehan wartete nicht auf Cædmon, aber

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