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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Vertrau mir.«
    »Ich kann nicht«, erwiderte sie tonlos. Sie drehte den Kopf weg, legte aber gleichzeitig die Arme um seinen Hals, zog ihn fester an sich und umschloß ihn mit den Beinen. »Du bist ein dänischer Pirat und hast auf meinen Bruder geschossen. Ich liebe dich, aber ich kann dir nicht trauen.«
     
    Es war schon dunkel, als Ælfric und Dunstan aus Ely zurückkehrten. Staubig, hungrig und durstig kamen sie in die Halle, wo das Essen schon fast vorbei war.
    Sie setzten sich zu Marie, Hyld und Eadwig an den Tisch, und die Mägde beeilten sich, ihnen Bier und Brot zu bringen, während die Köchin die Kalbshaxe auftrug, die sie für den Herrn der Halle und seinen Sohn aufgespart hatte.
    »Oh, wunderbar, Helen«, murmelte Ælfric dankbar, wischte sich die Hände an der Kleidung ab und zückte sein Messer, um sich ein Stück Fleisch abzuschneiden.
    Marie wartete, bis sein ärgster Hunger gestillt war, ehe sie fragte: »Hast du Guthric gesehen?«
    Er nickte. »Du glaubst nicht, wie er gewachsen ist.«
    »Und geht es ihm gut?«
    »O ja. Ich habe lange mit ihm gesprochen.« Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Wir sind durch den Kreuzgang gewandelt wie zwei waschechte Klosterbrüder. Es war richtig, daß wir ihn haben gehen lassen, Marie; Cædmon hatte recht. Ich denke, Guthric ist wirklich glücklich dort. Er hat mit solcher Begeisterung von seinem Unterricht gesprochen, von den Büchern, von der Gelehrsamkeit der Brüder, so habe ich unseren Guthric noch nie gesehen. Ein richtiges Feuer lodert in seinen Augen, er kommt mir doppelt so lebendig vor wie früher. Und ich habe mit Abt Thurstan gesprochen. Er sagt, sie hätten lange keinen so begabten, vielversprechenden Schüler gehabt. Unser Sohn macht uns Ehre, sagt er.«
    Marie strahlte und legte kurz die Hand auf seine. »Ich bin froh, Ælfric. Ich wünschte nur …« Sie brach ab.
    Aber er wußte genau, was sie hatte sagen wollen. »Ja. Ich wünschteauch, Cædmon wüßte davon. Da fällt mir ein, Harold Godwinson sendet dir seine ergebene Empfehlung.« Sein Tonfall war ironisch, aber seine Miene verdächtig finster.
    Seit der Rückkehr aus der Normandie hatte Earl Harold Ælfric regelmäßig aufgesucht und alles getan, um die Verbindung zu festigen. Ælfric of Helmsby war nur ein unbedeutender Landadliger, gehörte nicht den Witan – den »Weisen« des Kronrates – an und war weder reich noch mächtig genug, um einen großen Einfluß in East Anglia darzustellen. Trotzdem hatte Harold seine Nähe gesucht und ihn in seine politischen Schritte eingeweiht. Ælfric hatte nie den Versuch unternommen, sich zu distanzieren. Er machte sich nichts vor, er wußte, er konnte es sich nicht leisten, Harold Godwinson die kalte Schulter zu zeigen. Niemand in England konnte sich das leisten. Aber er hatte ihm nie verziehen, daß Harold seinen Sohn einfach so in der Normandie zurückgelassen hatte. Wie einen lahmen Gaul.
    »Was wollte er?« fragte Marie leise.
    In der Halle war es dämmrig, die Fackeln großteils schon gelöscht. Hier und da wurden Tische beiseite geräumt, und die Leute legten sich schlafen.
    Dunstan ergriff den Bierkrug und füllte seinen Becher wieder auf. »Er wirbt um Unterstützung, um seinen Bruder zu stürzen«, verkündete er unverblümt.
    Ælfric warf ihm einen warnenden Blick zu. »Gib acht, was du redest, Dunstan.«
    Dunstan hob unbeeindruckt die Schultern. »Das ist die reine Wahrheit.« »Aber es besteht kein Grund, sie aus voller Kehle in die Welt hinauszuposaunen.«
    Marie machte große Augen. »Er will den Earl of East Anglia stürzen?« Ælfric schüttelte den Kopf. »Nein, seinen anderen Bruder. Tostig. Den Earl of Northumbria. Tostigs Position im Norden ist wackelig. Die Leute in Northumbria haben ihn von Anfang an verabscheut. Sie haben ihn geduldet, weil er einen einigermaßen verläßlichen Frieden mit Schottland geschlossen hat und die Grenzgebiete nicht mehr ständig überfallen wurden. Es heißt, Tostig und König Malcolm von Schottland sind einander nahe wie Brüder. Aber jetzt will Tostig eine hohe Steuer in Northumbria erheben und hat sich mit seinen Thanes zerstritten. Harold fürchtet, er wird sich nicht mehr lange halten können, und er will ihn ablösen, ehe es zu einer Revolte kommt.«
    »Und recht hat er«, murmelte Dunstan, leise, aber nachdrücklich. »Das wäre das letzte, was uns fehlt. König Edward ist krank, und Harald Hårderåde von Norwegen wartet nur auf den richtigen Moment, um mit seinen Schiffen hier einzufallen.

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