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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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aufgehoben. Es war ihr ein großer Trost, als sie von Bruder Oswald erfahren hatte, daß Cædmon in Jehan de Bellêmes Obhut war. Sie erinnerte sich gut an den normannischen Haudegen, der seinem Herzog in den schwierigen Jahren so unbeirrbar zur Seite gestanden hatte. Ein guter, zuverlässiger Mann, der ihren Sohn sicher gut behüten würde, da war sie unbesorgt. Und Guthric wußte sie ebenso gut aufgehoben.
    »Aber wenn es wirklich zu einer Revolte im Norden kommt und Dunstan mit Harold Godwinson geht, heißt das, er zieht in den Krieg«, wandte sie ein.
    »Ja.« Ælfric legte sich neben sie, deckte sie beide zu und zog seine Frau an sich. »Aber Dunstan weiß, wie man auf sich aufpaßt.«
    »Erzähl mir keine Märchen«, erwiderte sie ungehalten. »Ich habe den Krieg gesehen. In einer Schlacht kann niemand auf sich aufpassen.« »Wie dem auch sei. Es hat keinen Sinn, sich darüber zu grämen. Dunstan ist in Gottes Hand wie wir alle. Und wenn er geht, haben wir immer noch Hyld und Eadwig, damit es hier nicht zu einsam wird.« Marie antwortete nicht. Sie legte eine Hand auf seine Brust und dachte an die Kinder, die sie verloren hatten, Edith und den kleinen Gyrth, die beide kein Jahr alt geworden waren, und wie furchtbar Ælfric gelitten hatte, als sie starben. »Und was ist mit dir? Wenn es hart auf hart kommt in Northumbria, soll ich wirklich glauben, Harold Godwinson würde dann auf dich verzichten?«
    Ælfric atmete tief durch und antwortete nicht direkt. »Er will, daß wir Weihnachten dieses Jahr an König Edwards Hof verbringen. Er hat mich sehr nachdrücklich eingeladen.«
    »Aber wozu, in aller Welt? Der König hat sich noch nie für uns interessiert. Was will er plötzlich von uns?«
    »Der König will überhaupt nichts von uns. Er ist todkrank, Marie. Aber wenn er das Weihnachtsfest noch erlebt, sollen sich wie üblich die Witan versammeln.«
    »Und wo?«
    »In Westminster. Die Klosterkirche ist nahezu fertig und soll geweiht werden, wenn die Großen des Reiches alle dort versammelt sind. Harold glaubt, der König warte nur noch auf diesen Tag, um dann nach der Vollendung seines großen Werkes aus der Welt zu scheiden.«
    »Nun, dann gehen wir eben nach Westminster«, erwiderte Marie unbekümmert.Sie war durchaus zufrieden mit ihrem bescheidenen, ländlichen Leben in Helmsby, aber sie war mit dem zeremoniellen Pomp aufgewachsen, der am Hof des Herzogs der Normandie üblich war, und hatte nicht die geringsten Einwände, nach langer Zeit wieder einmal eine königliche Halle voll kostbar gekleideter Männer und Frauen zu sehen.
    »Ja, was bleibt uns übrig«, brummte Ælfric.
    »Komm schon, so schrecklich wird es nicht werden«, sagte sie lächelnd.
    »Du weißt ja noch nicht, worum es eigentlich geht. Harold will, daß ich Sheriff von Norfolk werde.«
    Marie setzte sich kerzengerade auf. »Was?«
    »Da staunst du, nicht wahr.«
    »O mein Gott. Es wird keinen Tag Ruhe mehr geben in Helmsby, du wirst immer nur unterwegs sein, um Gerichtstage abzuhalten und Steuern einzuziehen, du wirst …«
    »Ein sehr mächtiger Mann.«
    »Und willst du das?«
    Ælfric antwortete nicht sofort. Schließlich sagte er nachdenklich: »Es hat zweifellos seinen Reiz.«
    »Aber?«
    »Nun, ich weiß nicht, ob mir Harolds Absichten besonders gefallen. Gorm of Edgecomb, der jetzige Sheriff, wird zu alt für das Amt, das sehe ich ein. Aber Gorm ist ein mächtiger, reicher Mann aufgrund seiner Ländereien und seiner familiären Verbindungen. Ich wäre nur mächtig und vielleicht sogar irgendwann reich von Harolds Gnaden, verstehst du?«
    »Er will einen Sheriff, der abhängig von ihm ist.«
    »Nicht nur in Norfolk, darauf möchte ich wetten.«
    »Was hat er vor, Ælfric?«
    »Das ist nicht so besonders schwer zu erraten, oder?«
     
    Hyld wurde wach, als eine große Hand sich über ihren Mund legte. Sie riß entsetzt die Augen auf.
    »Keine Angst. Ich bin es«, raunte die vertraute, samtweiche Stimme, und die Hand wurde zurückgezogen.
    Hyld setzte sich auf. »Erik, bist du wahnsinnig?« wisperte sie. »Was, wenn Dunstan aufwacht?«
    Er ignorierte ihren Protest und nahm ihren Arm. »Komm mit. Leise.« »Aber …«
    »Jetzt komm schon.«
    Es war zu gefährlich, hier herumzustreiten. Sie schlug die Decke zurück, stand auf und folgte ihm barfuß durch die dunkle Halle, vorbei an schemenhaften, reglosen Gestalten, die die Wand entlang unter ihren Decken lagen, und weiter zur Tür. Lautlos hob Erik den schweren Balken an, mit dem diese

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