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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Paternoster, wenn du zügig betest.«
    Hyld trat zu ihm und legte die Hand auf seinen rechten Unterarm. »Tu’s nicht, Erik«, bat sie leise.
    »Ich will nicht, daß du für mich bittest, Hure«, knurrte Dunstan.
    »Niemanden hier kümmert, was du willst«, fauchte sie und wandte sich wieder an ihren Mann. Seine bleigrauen Augen funkelten vor Haß. Gesicht und Hände waren blutverschmiert, und auf einmal sah er tatsächlich so aus, wie sie sich einen mordgierigen Wikinger immer vorgestellt hatte. Aber vermutlich ist das meiste sein eigenes Blut, rief sie sich ins Gedächtnis. Dunstan war das Ungeheuer, nicht er.
    »Bitte, Erik. Ich weiß, wie gut deine Gründe sind, aber er ist und bleibt mein Bruder.«
    »Lieber bin ich tot als dein Bruder«, versetzte Dunstan verächtlich. Hyld schüttelte den Kopf. »Halt den Mund, Dunstan. Also, Erik, was sagst du?«
    Er sah sie an und atmete tief durch. »Das ist wirklich … sehr viel verlangt, Hyld.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Und wenn ich ihn leben lasse, werden wir nicht weit kommen.«
    »Earl Tostig wird uns schützen.« Sie sah zu ihm hinüber. »Nicht wahr, Mylord? Das werdet Ihr doch?«
    »Wenn ich nicht bald meine Botschaft zu hören bekomme, werde ich zu Bett gehen und euch alle drei eurem Schicksal überlassen«, knurrte er. »Aber wenn sie soviel wert ist, wie du sagst, sollt ihr unter meinem Schutz stehen, ja.«
    »Siehst du«, sagte Hyld eindringlich zu Erik. »Wir haben nichts zu befürchten.«
    Erik zögerte noch einen langen Moment. Aber nur, um den Schein zu wahren. Er wußte, er würde es nicht fertigbringen, es in ihrem Beisein zutun. Also warf er Dunstan sein Schwert vor die Füße, wandte sich ohne ein Wort ab und nahm sein eigenes, das mitsamt Scheide und Gürtel neben der Esse an der Wand lehnte. Dann öffnete er die Tür und machte eine höfliche Geste in Tostigs Richtung. »Nach Euch, Mylord.«
    Tostig stapfte hinaus, und Erik folgte ihm. Hyld legte die Hand auf den Türriegel und zögerte noch einen Moment. Sie sammelte ihren Mut und sah ihren Bruder an. »Leb wohl, Dunstan. Ich glaube nicht, daß wir uns in dieser Welt wiedersehen. Gott schütze dich.«

Rouen, Januar 1066
    »In jenen Tagen aber verbannten mich Vater und Mutter. Dem Tode nahe, nur in meinem Innern noch ein Funke Leben, fand ich Obdach bei einer mildtätigen Frau, die mich in ihren Kleidern wärmte, mich fremdes Geschöpf in ihr Haus aufnahm wie ihr eigenes Kind. Sie nährte mich, bis ich erwachsen war und in die Fremde ziehen konnte. All dies tat sie für mich, zum Schaden ihrer Söhne und Töchter. Wer bin ich?« Cædmon sah in die Runde grübelnder Gesichter und lehnte sich mit verschränkten Armen und einem zufriedenen Lächeln zurück.
    Eine fahle Januarsonne schien durch die Fenster der großen, herzöglichen Halle von Rouen. Es war der letzte Tag der Weihnachtsfeierlichkeiten, das Fest der Heiligen Drei Könige. Die jungen Damen und Knappen des Hofes saßen am frühen Nachmittag nahe am Kamin zusammen und genossen die letzten Stunden des seligen Nichtstuns.
    »Nur in meinem Innern noch ein Funke Leben?« fragte Etienne fitz Osbern versonnen.
    Cædmon nickte.
    »Ein Mönch?« tippte Etienne. »Und die Frau, die ihn aufnimmt, ist die heilige Mutter Kirche?«
    »Aber wer wären dann die leiblichen Kinder der Frau?« wandte Aliesa ein.
    Mit sorgsam verborgener Wonne betrachtete Cædmon ihre gerunzelte Stirn. Ihr ganzes Gesicht spiegelte höchste Konzentration wider, und ihre zierliche Nase war gekräuselt.
    »Nein, es ist kein Mönch«, bestätigte Wulfnoth, dessen Schatz an Rätseln noch unerschöpflicher war als Cædmons.
    »Gib uns einen Hinweis«, verlangte Etienne. »Ist es ein Ding oder ein Lebewesen?«
    »Wie kann ein Ding Mutter und Vater haben, du Esel«, schalt Aliesa ungeduldig.
    »Ein Kuckuck!« rief der elfjährige Richard triumphierend. »Es muß ein Kuckuck sein. Die Frau ist die Vogelmutter, ihre leiblichen Kinder die Küken, die der Kuckuck aus dem Nest wirft!«
    Cædmon stand von der Bank auf und verneigte sich vor dem Sohn des Herzogs. »So ist es. Und damit führt Richard insgesamt. Seit Heiligabend hat er zwölf Rätsel erraten, gefolgt von Aliesa mit zehn, dann kommt lange Zeit niemand, dann Etienne mit fünfen und dann ihr restlichen Tölpel mit einem oder zweien. Ähm …« Er verneigte sich knapp vor den beiden anderen Söhnen des Herzogs, Robert und William. »Von den Tölpeln seid ihr selbstverständlich ausgenommen, Monseigneurs.«
    Alle lachten, und ein

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