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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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von seinen Pergamentrollen auf und nickte zögernd. »Ja, Monseigneur. Soweit ich feststellen kann, decken sich Wulfnoths und Cædmons Übersetzungen.«
    William nickte zufrieden und zeigte sein seltenes Lächeln. »Verzeiht mein Mißtrauen, Cædmon.«
    »Ich kann verstehen, daß Euer Vertrauen in die Aufrichtigkeit der Engländer erschüttert ist.«
    William riß sich mit der für ihn so typischen Ungeduld das Handtuch von der Brust, stand auf und trat auf ihn zu. »Aber Ihr wart aufrichtig und offen, also werde ich es auch sein. Ich gestehe, als ich von Harold Godwinsons Verrat erfuhr, wollte ich seinen Bruder und Euch töten. Aber Ihr habt nicht nur einflußreiche, sondern auch sehr weise Fürsprecher an meinem Hof. Und einer sagte etwas, das mir immer klüger und bedeutsamer erscheint, je länger ich darüber nachdenke. Ihr erklärt, England wird sich keinem fremden König unterwerfen. Nun, dann muß es eben unterworfen werden. Die Krone steht mir zu, und ich werde sie bekommen. Und wenn es soweit ist, werde ich Männer wie Euch brauchen. Männer, die eine Brücke schlagen können zwischen Engländern und Normannen, weil sie sie beide kennen. Männer, denen ich trauen kann, und ich habe eine eigentümliche Neigung, Euch zu trauen, Cædmon, hatte sie immer schon. Gerade eben habt Ihr wiederum bestätigt, daß ich mich nicht in Euch täusche. Was sagt Ihr?«
    Cædmon sagte erst einmal gar nichts. Er hatte den Verdacht, daß er im Begriff war, in eine Falle zu tappen, aus der er sich vielleicht nie wieder würde befreien können. »Ich … ich muß darüber nachdenken, Monseigneur.Ich glaube, es ist eine schwerwiegende Entscheidung, vor die Ihr mich stellt.«
    »Das ist es sicher. Also denkt. Laßt mich England erst einmal erobern. Wenn das bewerkstelligt ist, werde ich Eure Antwort erfragen.«
    Cædmon verneigte sich wortlos.
     
    Als er auf den Korridor hinaustrat, fing der junge Richard ihn ab. »Cædmon! Ich bin ja so froh, daß du wieder da bist.«
    »Ja, ich auch, Richard.«
    »Komm mit. Meine Mutter wünscht dich zu sehen.«
    Gott, was wollen sie auf einmal alle von mir, dachte er ungläubig.
    Herzogin Matilda verbrachte den Vormittag in Gesellschaft ihrer jüngeren Kinder: Richard, Rufus und einer Schar Töchter, von denen Cædmon nur die zwölfjährige Agatha erkannte. Die anderen, Adeliza, Cecile und Adela waren noch so klein und er sah sie so selten, daß er nie sicher sein konnte, welche welche war. Es waren hübsche, lebhafte Kinder. Die meisten hatten die dunklen Haare und Augen ihres Vaters geerbt, nur Rufus und eines der kleinen Mädchen hatten die goldblonden Locken und hellblauen Augen ihrer flämischen Mutter.
    Cædmon verneigte sich wiederum ehrerbietig, und wiederum sah er sich verstohlen um. Es war ein ebenso kostbar eingerichtetes Gemach wie Williams, doch lagen hier überall Holzspielzeuge im Stroh am Boden verstreut. Eine von Matildas Hofdamen – leider nicht Aliesa – brachte mit zweien der kleinen Mädchen eine Stoffpuppe zu Bett, und auf einer gepolsterten Bank unter dem Fenster entdeckte Cædmon zu seiner Verwunderung Wulfnoth, der die Beine übereinandergeschlagen hatte und auf das friedvolle Bild hinabblickte.
    »Ihr wolltet mich sprechen, Madame?«
    Matilda nickte lächelnd und reichte ihre jüngste Tochter, die sie auf dem Schoß gehalten hatte, an die Amme, die in respektvollem Abstand von Mutter und Tochter gewartet hatte, eine frische Windel kampfbereit in der Hand.
    Dann wandte die Herzogin sich wieder an Cædmon. »Ich bin überzeugt, Eure Unterredung mit dem Herzog verlief einvernehmlich?« Und was mag diese Frage zu bedeuten haben, überlegte Cædmon unbehaglich.
    »Ähm …, ich bin nicht ganz sicher, Madame. Wenn Ihr meint, ob ich seinen Brief übersetzt habe, ohne zu versuchen, ihn zu betrügen, dannja, wenn Ihr meint, ob ich auf sein Ansinnen eingegangen bin, dann nein. Es ist eine schwierige Entscheidung für mich, und ich habe mir Bedenkzeit ausgebeten. Da ich hier mit meinem Kopf auf den Schultern vor Euch stehe, denke ich, man kann sagen, die Unterredung verlief alles in allem einvernehmlich.«
    Matilda biß sich auf die Unterlippe, um ein Lächeln zu unterdrücken. »Beinah ein kleines Wunder, bedenkt man, daß Eure Zunge ebenso scharf ist wie die seine.«
    Cædmon rieb sich verlegen das Kinn an der Schulter und antwortete nicht.
    Matilda nickte ihm zu; sie hatte eine bemerkenswert huldvolle Art zu nicken, die Cædmon schon oft aus der Ferne bewundert hatte. »Ich

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