Das zweite Leben
schaffen ließest. Und seitdem hat es Verbesserungen gegeben, die dich zu weit mehr befähigen müssen.«
Die seltsame Diskussion dauerte fast drei Stunden. Ross versuchte mit allen möglichen Vergleichen und Beispielen, 5B zu einer eigenen, nicht von ihren Programmierungen vorgeschriebenen Entscheidung zu zwingen – keine »Entweder-Oder-Reaktion«, die durch ihre Programmablaufpläne festgelegt war und nur Intelligenz vortäuschte. Dann unterbrach die Schwester sich mitten im Satz und erklärte, daß es nun Zeit sei, das Licht zu löschen und zu schlafen. »Kann ich noch etwas für Sie tun, Mr. Ross?«
»Das kannst du«, knurrte Ross. »Schaff mir eine zwanzigjährige Frau mit braunen Augen und braunem Haar herbei.« Er stieß die Luft aus und fügte grimmig hinzu: »Eine Frau, die Alice heißt.«
»Ihr Wunsch ist gespeichert, Mr. Ross, doch in diesem Augenblick sind wir nicht in der Lage, einen weiblichen Menschen dieses Typs zu …«
»Gute Nacht, Schwester«, seufzte Ross und drehte sich auf die Seite.
Als 5B ihn nach Tagen endlich erlöste, indem sie das magische Wort »Sir« aussprach, war die erste Expedition aufbruchbereit. Ross schickte sie unverzüglich los und nahm keine Änderung der einmal gegebenen Instruktion vor. Gebannt verfolgte er, wie sich die Roboter über die Oberfläche des einstmals blühenden Planeten ergossen.
Die Schwester hatte ihm nicht verbieten können, während der letzten Wochen zu denken. Und immer wieder hatte er sich auszurechnen versucht, wie groß die Chancen waren, tatsächlich Überlebende aufzuspüren. Er hatte sich Gedanken darüber gemacht, was er tun würde, falls die Suche negativ verlaufen würde.
Keinen Augenblick dachte er daran, aufzugeben. Er würde eben auf lange Sicht planen müssen – auf sehr lange Sicht.
9.
Ross dachte in Zeiträumen von Jahrmillionen. Während die Expeditionsroboter auf dem Weg zu den Städten waren, überlegte er, wie er einen neuen Evolutionsprozeß in Gang bringen konnte. Eine Zeitlang spielte er mit dem Gedanken, seine Körperausscheidungen in einen der Gezeitentümpel am Strand schaffen zu lassen – das einzige Organische außer ihm selbst. Doch selbst falls die Mikroorganismen im Aschebrei leben konnten, war das Experiment undurchführbar. Eine einzige Flutwelle genügte, um die ersten Kulturen, die eventuell entstehen würden, ins Meer zu spülen. Im Aufschlag seiner alten Hose hatte er Grassamen gefunden und in die Erde in der Kuppel gestreut. Doch auch hier machte er sich keine Hoffnungen.
Sie lagen in der Expedition. Wenn die Roboter schon kein menschliches Leben fanden, dann vielleicht tierisches oder pflanzliches. Der »Bergmann« war so programmiert, daß er jede Form von Leben aufspüren und einsammeln mußte. Da die Bücher über die irdische Flora und Fauna im Hospital sehr knapp waren, hatte Ross dem Robotriesen befohlen, alle Informationen, die er auf seiner Reise in Büchern oder anderswo fand, zu speichern. Natürlich wurde er ständig über alle Entdeckungen auf dem laufenden gehalten. Er hörte die Kunststimme des Monstrums, während er von der Kontrollkuppel auf dem Hügel aus beobachtete, wie der Roboter sich auf vier mächtigen Raupenketten über glasierten Fels und durch oft knöchelhohen Staub bewegte – das heißt: Ross sah nicht den Bergmann selbst, sondern das Bild, das von in dessen Körpern eingebauten Kameras eingefangen und gesendet wurde. Der eigentliche Körper war ein Zylinder, in dem alle Speicher untergebracht waren, übersät mit Antennen, Scheinwerfern und Werkzeugen. Der große Bohrer konnte sich selbst vom Untergestell abheben und sich senkrecht in die Erde treiben.
Der Bergmann wurde von zwei Reparaturrobotern und zwei Schwestern begleitet, die für längere Oberflächenaufenthalte ausgerüstet waren. Die von ihnen aufgewühlte Asche wurde in die Luft gewirbelt und nahm immer wieder die Sicht. Seit zwei Tagen hatte es nicht mehr geregnet.
Während der folgenden fünf Tage verbrachte Ross jede Minute in der Kuppel – abgesehen von den Schlafperioden – und saß zurückgelehnt in seinem Sessel vor den Bildschirmen. Neben dem Bildern der Fernsehkameras sendete der Bergmann Radarechos und Infrarotaufnahmen. Ross überzeugte sich jede halbe Stunde, daß der Trupp noch auf dem richtigen Kurs war und fragte überflüssigerweise, ob schon etwas entdeckt worden war. Ungeduld und zunehmende Langeweile, als nichts geschah, wechselten sich ab. Einmal, als zum wiederholten Mal eine
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