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Das zweite Leben

Das zweite Leben

Titel: Das zweite Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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vorgenommen.
    »Aus den Ergebnissen lassen sich folgende Schlüsse ziehen, Sir«, kam die unpersönliche Stimme aus den Lautsprechern. »Während des Krieges wurden zahlreiche Raketen abgelenkt und explodierten in den Polarregionen, und mehrere Ausweichbasen und Munitionsdepots befanden sich unter dem Eis. Nirgendwo explodierten so viele Bomben wie hier. Die radioaktive Strahlung ist immer noch hoch, allerdings nicht lebensgefährlich. Der Boden ist vollkommen steril.«
    Ross hatte furchtbare Angst. Alle Hoffnung war wie weggeblasen. Die Welt, der er neues Leben hatte schenken wollen, war tot für immer, Festland und Meer ein schwarzer Friedhof. Er selbst stellte einen Antagonismus dar, und das auch nur noch für kurze Zeit. Eine Ironie des Schicksals.
    Er wollte allem ein schnelles Ende machen, sich in einen Aufzugschacht stürzen oder ins Meer gehen.
    Schwester 5B würde ihn daran zu hindern wissen, während seines qualvollen Hungertodes weitere Instruktionen verlangen und ticken, wenn sie hilflos mitansehen mußte, wie er langsam starb.
    »Haben Sie Instruktionen für mich, Sir?« hörte er, immer und immer wieder. Er sprang auf und schrie sie an, sie solle ihn zufrieden lassen. Er zitterte am ganzen Körper.
    »Sir, können wir über die Zukunft reden?« fragte die Schwester plötzlich. Täuschte er sich, oder hörte Ross wirklich Gefühle aus ihrer Stimme heraus? Dann begriff er. Wenn er starb, hatte ihre Existenz ihren Sinn verloren. Ross wußte nicht, ob Roboter Angst vor dem Tod haben konnten, aber er spürte die Verzweiflung der Schwester – und er hatte plötzlich Mitleid mit ihr und all den anderen Maschinen, die zusammen mit ihm das Unmöglich versucht hatten. Wie gut konnte er sie verstehen! Mit leiser Stimme sagte er:
    »Meine Anweisungen gelten auch nach meinem Tod. Ihr werdet weiter nach Leben suchen, das wird euer Daseinszweck sein. Ihr werdet nicht nur auf der Erde suchen, sondern in den Weltraum vorstoßen. Sechzig Jahre vor Ausbruch des Krieges flogen die ersten Menschen zu den Planeten. Auf dem Mond gab es eine Station, vielleicht auch auf anderen Welten. Zwar waren die Besatzungen auf Versorgungsschiffe von der Erde angewiesen, doch auch sie hatten die Möglichkeit, im Tiefschlaf zu überleben.«
    Ross hatte sich diesen Schritt für später aufheben wollen. Er erschien ihm vielversprechend, und nun würde er nicht mehr erleben, daß die ersten Roboter zurückkehrten und Bericht erstatteten.
    »Entsprechende Programme werde ich ausarbeiten«, fuhr er fort. »Ihr werdet solange suchen, bis ihr Erfolg habt und einen neuen Herrn findet. Bis dahin gehorcht ihr den von mir gegebenen Anweisungen, und dies sollte euer Problem lösen.«
    »Danke, Sir.«
    »Auf dem Mond und dem Mars solltet ihr am ehesten etwas finden«, sagte Ross, mehr zu sich selbst. »Ich verstehe nichts von Raumfahrt, aber während der Suche auf der Erde werdet ihr Bücher oder unvollendete Raumschiffe finden, die ihr studieren könnt. Und wenn ihr Menschen gefunden habt, dann achtet auf die Zusammensetzung der Atmosphäre in den Schiffen. Ihr könnt im Vakuum leben, Menschen nicht. Und sagt ihnen … sagt ihnen, daß ich …«
    Es sollte eine historische, großartige Botschaft sein, doch schließlich schüttelte Ross den Kopf. »Sagt ihnen nur, daß sie zusehen sollen, wie sie zurechtkommen!«
    Ross verließ die Kuppel. Er fluchte hemmungslos, bis er das Hospital erreichte und in den Aufzug stieg, der ihn nach unten in sein Quartier brachte. Dann dachte er an Dr. Pellew, Dr. Hanson, Courtland und all die tapferen Männer und Frauen, an alles, was sie geleistet und an Entbehrungen auf sich genommen hatten, um dem grausamen Schicksal Paroli zu bieten. Bis zu ihrem Ende hatten sie dafür gekämpft, die Patienten in den Tiefschlafkammern doch noch zu heilen, und in einem Fall sogar Erfolg gehabt. Ross war nicht nur gesund – er lebte.
    Und wofür? dachte er bitter. Es war gelungen, dem Schicksal einen Streich zu spielen – jämmerliche zwei Jahre lang. Lohnte das die Opfer?
     
11.
     
    Ross wußte nicht, wie er in sein Zimmer gekommen war. Tagelang hatte hier niemand mehr aufgeräumt. Der Boden war mit Büchern und losen Blättern übersät. Ross fegte einige leere Büchsen von seinem Stuhl und ließ sich kraftlos hineinfallen. Dabei sah er sich im Spiegel des Wandschranks. Er rückte näher heran. So also sah er aus – der letzte Mensch.
    Ein Alptraum aus Haut und Knochen, in eine lächerlich wirkende Toga gehüllt. Das Gesicht

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