Das zweite Leben
Gedanken lief Ross ein Schauer über den Rücken. Der zweite Reparaturroboter hatte inzwischen auch seinen Artgenossen erfolgreich behandelt.
Beide setzten 5B wieder zusammen. Nun hatte Ross drei Robotgenies zur Verfügung, und in wenigen Wochen würden alle Maschinen ihre Fähigkeiten haben. Er konnte sich nicht darüber freuen, denn er hatte geglaubt, mittlerweile durch die Lektüre der einschlägigen Literatur etwas von Kybernetik zu verstehen, und doch begriff er so gut wie nichts von dem, was die Roboter angestellt hatten. Er mußte aufpassen, daß sie ihm nicht über den Kopf wuchsen. Doch dann sagte er sich, daß er nur aus verletzter Eitelkeit so dachte. Die Maschinen waren nur Werkzeuge, versuchte er sich einzureden, Werkzeuge, die ihm zu dienen hatten. Dennoch frage er sich manchmal, ob er richtig handelte.
Jeder Roboter erhielt in der Folgezeit einen Anhänger auf zwei Rädern, auf dem der Zusatzspeicher installiert war. Ross wollte, daß die Intelligenz der Maschinen bis zu den Grenzen des Möglichen gesteigert wurde, so daß sie auch Befehle, die er später gab und die komplexerer Natur waren als die jetzt erforderlichen, akzeptieren, verstehen und ausführen konnten.
An der Oberfläche wurde eine riesige, transparente Kuppel errichtet, in der der erste Superroboter gebaut wurde, der hinausgehen sollte, um die Ross vorschwebenden Untersuchungen auszuführen. Auf einem Hügel ließ er eine weitere erbauen, eine kleinere, in die ein Stuhl, Kommunikationssysteme und Tische gebracht wurden. Der Boden war von Asche befreit worden. Ross saß oft in der Kuppel und beobachtete bei günstigem Wetter das Meer, doch meistens sah er nur dunkelgraue Aschewolken und den roten Ring der Sonne. Die Temperaturen waren selbst bei Nacht kaum erträglich, denn die Wolken ließen keine Hitze in den Weltraum oder die oberen Schichten der Atmosphäre entweichen.
Wieso hatten sie sich gegenseitig umbringen müssen? dachte Ross immer wieder. Die Erde hatte eine Milliarde von Jahren gebraucht, um Leben auf ihr hervorzubringen, die Menschen Monate, um es zu vernichten. Die Krone der Schöpfung!
Ross hatte Erde in die Kuppel bringen lassen und sie feucht gehalten. Scheinwerfer lieferten genügend Licht, und doch wuchs nichts.
Er hatte dafür gesorgt, daß die Roboter alle wichtigen Sprachen der Erde beherrschten, bevor er sie losschicken konnte, und dieser Zeitpunkt rückte näher heran. In den nächsten Tagen sollten die ersten Maschinen zu den benachbarten Kontinenten aufbrechen. Es war nicht gerade leicht gewesen, den Instandhaltungsrobotern klarzumachen, wie eine Maschine beschaffen sein mußte, die auf dem Meeresboden arbeiten oder sich tauchend zu anderen Erdteilen bewegen konnte. Die Roboter hielten die Wasseroberfläche lange für festen Boden und versuchten immer wieder, darauf zu gehen. Bei ihren ersten Versuchen lachte Ross noch. Dann verzweifelte er fast, bevor sie endlich begriffen. Der Superroboter – Ross nannte ihn bald nur noch »Bergmann« – stand kurz vor der Vollendung. Er war so groß wie eine Eisenbahnlokomotive, und Ross wies die Reparaturroboter an, einen kleineren und wendigeren Allzweckroboter zu entwerfen. Dazu gab er ihnen die kybernetischen Lehrbücher und die Notizen zu lesen, die Courtland kurz vor seinem Tod gemacht hatte. In ihnen waren seine Ideen für noch höher entwickelte Maschinen niedergelegt. Ross ließ die Roboter arbeiten. Er wurde regelmäßig über die Fortschritte unterrichtet, und bald verstand er ebensowenig wie von Courtlands Aufzeichnungen. Doch Ross war zuversichtlich, daß seine Helfer ihre Aufgabe erfüllen würden, und außerdem bot sich ihm hier die Gelegenheit zu sehen, in welchem Maße sie schon Eigeninitiative entwickeln konnten.
Dann kam der Tag, an dem 5B ihn wieder mit »Mr. Ross« anzureden begann. Ross war vor Erschöpfung zusammengebrochen, als er den Bergmann auf seine Funktionsfähigkeit überprüfen wollte. Nachdem die Schwester ihn ins Bett geschickt hatte, hielt sie ihm einen zehnminütigen Vortrag über die Dummheit von Menschen, die sich einbildeten, wie Roboter arbeiten zu können, bis ihr Körper, der nicht repariert werden konnte wie der eines Roboters, die Anstrengungen nicht mehr verkrafteten und Schaden nahmen. Seine Ohnmacht war die Folge von Arbeitswut und Streß, erklärte sie und fügte hinzu, daß Ross sich nun längere Zeit auszuruhen hätte und auf gar keinen Fall aufstehen dürfte. Auch lesen oder Notizen machen durfte er nicht. Nachdem
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