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Das zweite Leben

Das zweite Leben

Titel: Das zweite Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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Vorschriften für den Umgang mit Extraterrestriern hätten mehrere dicke Bücher füllen können. Rolston wußte, was sich aus unbedachten Handlungen entwickeln konnte, und bis zu dem Tag, an dem er Naleen begegnete, war er sicher, daß er niemals falsch handeln würde.
    Jennings, der Psychologe, versuchte ihm auszureden, daß er Naleen wirklich »liebte«. Er zählte eine Reihe von Gründen auf, die für Rolstons Gefühle verantwortlich sein konnten – Neugier, die Faszination der exotischen Schönheit Naleens, und einiges andere. Doch Rolston war sein Chef und dachte nicht daran, die Frau aufzugeben. Munsen, der Arzt des Teams, doppelt so alt wie Rolston und nicht auf den Mund gefallen, mußte ebenfalls einsehen, daß seine Warnungen auf taube Ohren stießen. Er bescheinigte Rolston, daß Naleen körperlich und geistig gesund war und, abgesehen von den Grel- Drüsen, vollkommen menschlich. Widerwillig bejahte er die Frage, ob eine Kreuzung zwischen Kallekianern und Erdenmenschen erfolgreich sein könne – vorausgesetzt, daß die Standardisierung erfolgt war.
    Doch Naleen wollte nichts von den Spritzen wissen, so sehr Rolston sich auch bemühte, sie dazu zu überreden. Immer wieder erzählte er ihr von den unzähligen galaktischen Völkern, die sich zwar äußerlich voneinander unterschieden, doch den gleichen Ursprung hatten und so miteinander verwandt waren. Ein universeller Friede und wirkliches Glück für sie alle waren nur dann zu erreichen, wenn alle Unterschiede beseitigt waren, versicherte er.
    Manchmal fand er kaum die richtigen Worte. Naleens Nähe verwirrte ihn. Dann war er unfähig, die Augen von ihr zu nehmen. Sie trug die kurze, weiße Tunika aller Kallekianer. Ihr wunderschönes Gesicht, die Arme und Beine besaßen eine samtbraune Tönung, und jeder Teil ihres Körpers war von den goldenen Fäden des Grel- Netzes überzogen, das wie ein Geflecht aus feinen Adern auf der Haut lag. Dies und das volle weiße Haar bildeten den einzigen sichtbaren Unterschied zu den Menschen der Erde. Doch Rolston sah immer nur ihre Augen, die vor Neugier und Erregung glänzten, wenn er von fremden Planeten und ihren Bewohnern erzählte. Sie stellte Fragen, und er war glücklich, sie beantworten zu können.
    Die schönsten Stunden des Tages waren jene vor Sonnenuntergang, wenn Rolston und Naleen weite Spaziergänge machten. Der Frühling neigte sich dem Ende zu, und überall ragten die Samenballone der Pflanzen in die Luft. Bald würden sie in den Himmel aufsteigen und vom Wind davongetrieben werden. Rolston genoß diese Tage, bis sich der Sommer durch die einsetzende Hitze ankündigte. Die nun samenlosen Gewächse verdorrten.
    Mittlerweile hatte Rolston Naleen alles berichtet, was er selbst über das Leben im Weltraum wußte, soweit dies nicht zu unerwünschten Komplikationen führen konnte. Die Lehrstunden waren beendet. Rolston wußte, daß all das, was er Naleen erzählt hatte, eigentlich Jennings’ Aufgabe gewesen wäre. Und doch mußte er sie jeden Tag sehen. Er kam nicht mehr ohne ihre Nähe aus. Aber je heißer es auf Kallek wurde, desto hitziger wurden auch ihre Diskussionen, bis es eines Tages zum ersten großen Streit kam.
    Sie standen auf einem Hügel in der Nähe der Kuppel und schrien sich gegenseitig an. Sie sollte sich endlich die Spritzen geben lassen, fluchte er. Sie sei eigensinnig, dumm und engstirnig und würde nie einsehen, daß die Erdenmenschen ihr und ihrem Volk nur helfen wollten. Nur ein Verrückter oder ein Selbstmörder würde auf dieser Höllenwelt bleiben wollen.
    »Und du bist ein Egoist!« konterte Naleen. Ihr Gesicht war vor Ärger verzerrt, und die Grel -Adern waren angeschwollen. »Helfen wollt ihr, ja, aber nur aus Eigeninteresse!«
    »Ja, verdammt«, knurrte Rolston. »Ich will dich habe, ganz allein für mich. Aber das doch nur, weil ich … weil ich dich …«, er fluchte wieder, als er sich nicht in der Lage sah, diese einfachen Worte herauszubringen. Wieso machte sie es ihm so schwer? Rolston hatte plötzlich nur noch den einen Wunsch, alles hinter sich zu lassen – das Team, den Planeten, alles. Er schimpfte weiter, und Naleen mit ihm. Sie kannte ihn besser, als er gedacht hatte, und sie sagte ihm Dinge, die ihn ebenso verletzten wie seine Worte sie. Sie stritten sich solange, bis jeder in seiner Sprache schrie, bevor beide gleichzeitig erkannten, wie dumm sie sich benahmen. Sie fielen sich in die Arme. Er sagte ihr, daß er nervös und aufgewühlt war und keines seiner Worte

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