Das zweite Vaterland
auch die Nacht hindurch wandernd, nach dem Hohlweg der Cluse aufgemacht. Vielleicht war ihnen auch ein solcher Gedanke gekommen, der verführerisches genug an sich hatte, da sie dann schon am Nachmittage des nächsten Tages in Felsenheim angelangt wären. Sie wagten aber gar nicht den Vorschlag, vorausgehen zu wollen, da sie wußten, daß sie doch niemand ziehen lassen würde. Uebrigens war jedenfalls die Freude noch größer, wenn alle zusammen an dem ersehnten Ziele eintrafen und sich in die Arme der Eltern und Freunde stürzten, die schon so lange auf sie gewartet und vielleicht verzweifelt hatten, sie je wieder zu sehen. Welche Aufregung, welchen Jubel mußte es geben, wenn sie alle ausriefen:
»Da sind wir!… Da sind wir!«
Die zweite Wegstrecke verlief ganz ebenso wie die erste und unter Schonung der Kräfte Jennys, Dolls und Suzan Wolston’s.
Alles ging ohne Zwischenfall ab, und gegen vier Uhr Nachmittags war der Saum des Waldes erreicht.
Von diesem aus lag eine fruchtbare Landschaft vor ihnen. Ihren Pflanzenwuchs verdankte sie allein der Treibkraft des Erdbodens… Hier üppige Wiesen, dort Waldmassen oder Baumgruppen, die sich bis zum Eingange des Grünthales fortsetzten.
In der Ferne trabte eine Gesellschaft von Hirschen und von Damwild vorüber. Ihnen nachzustellen, war natürlich ganz ausgeschlossen. Dann zeigten sich wieder Trupps von zahlreichen Straußen, deren Erscheinen Fritz und Franz an ihren Ausflug in die Umgebung des Araberthurms erinnerte.
Ebenso tauchten mehrere Elephanten auf; sie trotteten ruhigen Schrittes durch dichtes Gestrüpp, welch verlangende Blicke hätte ihnen aber Jack, wenn er jetzt hier war, zugeworfen!
»Warum sollte es, sagte Fritz, in unserer Abwesenheit Jack nicht gelungen sein, einen Elephanten zu fangen, ihn zu zähmen und ihn abzurichten, wie wir es ja mit Sturm, Brummer und Leichtfuß gethan haben?
– Das ist wohl möglich, mein Lieber, antwortete Jenny. Nach vierzehnmonatiger Abwesenheit läßt sich ja so manches Neue in der Neuen Schweiz erwarten…
– In unserem zweiten Vaterlande! sagte Franz.
– Ich sehe es schon, rief Doll, es wird jetzt noch andere Wohnstätten, andere Meiereien, vielleicht gar ein ganzes Dorf aufzuweisen haben.
– O, meinte der Obersteuermann, ich wäre schon mit dem zufrieden, was wir hier vor uns sehen, und ich kann kaum glauben, daß es auf Ihrer Insel ein herrlicheres Stück Land als dieses hier gäbe.
– Das ist noch gar nichts gegen das Gelobte Land, Herr Block, versicherte Doll.
– Nichts, bestätigte Jenny, und wenn Herr Zermatt ihm diesen biblischen Namen gegeben hat, so hatte es ihn reichlich verdient, und wir werden, begünstigter als die alten Hebräer, das gesegnete Kanaan betreten.«
John Block mußte wohl die Ueberzeugung gewinnen. daß diese Lobsprüche keineswegs übertrieben seien.
Um sechs Uhr ließ Fritz für die Nacht Halt machen, wenn es ihm auch, wie seinem Bruder, große Ueberwindung kostete, da beide so gern noch bis zum Grünthal weitergewandert wären.
Zu dieser Jahreszeit drohte kaum ein Umschlag des Wetters und die Kälte war auch nicht zu fürchten. Im Gegentheil hatten der Kapitän Gould und alle übrigen am Tage weit mehr von der Wärme gelitten, wenigstens, trotz der schützenden Bäume, um die Mittagsstunde. Weiterhin hatten einige verstreute Gehölze gestattet, im Schatten zu marschiren, ohne dabei besonders von der geraden Richtung abzuweichen und eine Verspätung zu erfahren.
Von den flackernden Flammen eines Feuers aus trockenen Zweigen wurde das Abendessen in gleicher Weise zubereitet, wie am Mittag. Diese Nacht konnte zwar niemand in einer Grotte zubringen, bei der herrschenden Müdigkeit fand aber doch jeder den Schlaf.
Vorsichtshalber wollten Fritz, Franz und der Obersteuermann abwechselnd wachen. Als es dunkel wurde, ertönte von fernher dumpfes Gebrüll und erinnerte daran, daß auf diesem Theile der Insel verschiedene Raubthiere hausten.
Am nächsten Tage erfolgte der Aufbruch mit dem Morgenrothe. Der Engpaß der Cluse mußte mit der zweiten Etappe erreicht werden können, wenn die Strecke bis dahin, auf der sich vielfach frische Fährten zeigten, keine besonderen Hindernisse bot.
Die Wanderung ging nun wirklich ebenso unbehelligt von statten, wie am Tage vorher. Um die Sonnenstrahlen zu vermeiden, schlug man nur den Weg von Gehölz zu Gehölz ein.
Nach dem Mittagsmahle am Ufer eines schnellfließenden, neun bis zehn Toisen breiten Flusses, der nach Norden hin verlief,
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