Das zweite Vaterland
Hundert Sagopalmen zu fällen. Sie auszuhöhlen bot keine besonderen Schwierigkeiten, wobei das gewonnene Mark in Bambusgefäßen aufgesammelt warde. Die Fortschaffung dieser Stämme oder Schäfte verursachte dagegen immer große Mühe. Diese Aufgabe fiel dem älteren Zermatt und Jack zu. Sie spannten dazu die beiden Büffel, den Onagre und den jungen Esel ein, die einen Blockwagen zogen, einen von der Art, die später auch in Europa vielfach in Gebrauch kamen. Ernst hatte nämlich den Gedanken gehabt, die schweren Frachtstücke an die Achsen des vorher auseinandergenommenen Wagens zu hängen. Die Stämme schleiften dann höchstens mit einem Ende über den Erdboden hin und die Beförderung erfolgte bedeutend leichter als früher.
Immerhin mußten Büffel, Onagre und Esel tüchtig ziehen.
»Es ist sehr bedauerlich, sagte Jack deshalb einmal zu seinem Vater, daß wir nicht ein Paar Elephanten zur Verfügung haben. Wieviel Anstrengung bliebe dann unseren armen Thieren erspart…
– Doch nicht den braven Dickhäutern, die dann »unsere armen Thiere« wären, antwortete Zermatt.
– O nein, die Elephanten haben sehr große Kraft und würden die Palmenschäfte so leicht wie Streichhölzchen dahin ziehen. In der Neuen Schweiz giebt es ja Elephanten, und wenn es uns gelänge…
– Nun, mir wäre nichts daran gelegen, die plumpen Gesellen in unserem Theil des Gelobten Landes einwandern zu sehen, Jack. Da würden unsere Felder bald ein gar trauriges Aussehen bekommen.
– Zugegeben, Vater. Wenn sich aber Gelegenheit böte, einige in den Savannen in der Nähe der Perlenbucht abzufangen oder in den Ausläufern des Grünthales…
– Da würden wir natürlich zugreifen, antwortete Zermatt. Immerhin wollen wir uns diese Gelegenheit lieber nicht wünschen, das ist jedenfalls klüger!«
Während der ältere Zermatt und sein Sohn die vielen Fuhren besorgten, beschäftigten sich Wolston und Ernst mit der Erbauung der Wasserhebeanlage. Bei der Construction des dazu gehörigen Schaufelrades entwickelte der Ingenieur eine erstaunliche Geschicklichkeit. Ernst interessirte sich außerordentlich für diese Arbeit, da ihm eine gewisse Vorliebe für Mechanik angeboren war, und er konnte hier aus der Anleitung und den Lehren des Herrn Wolston großen Nutzen ziehen.
Das Rad wurde am Fuße des Wasserfalles im Schakalbache so angelegt, daß es die Stangen der Pumpen vom »Landlord« in Bewegung setzen mußte. Das bis zur Höhe von dreißig Fuß emporgetriebene Wasser wurde dann in einem zwischen den Felsen des linken Ufers hergestellten Becken gesammelt und an dieses sollten sich endlich die Sagopalmenröhren anschließen, deren erste nun bald an der Böschung hin verlegt werden sollten.
Kurz, diese Arbeit wurde so regelmäßig und planvoll durchgeführt, daß sie mit Einschluß des bis zur Südspitze des Schwanensees reichenden Ablaufgrabens bereits am 20. December beendigt war.
»Werden wir denn die Einweihung auch festlich begehen? fragte Annah Wolston am Abend diesen Tages.
– Das will ich meinen, antwortete Jack; ganz als wenn es sich um die Eröffnung eines Canales in unserer alten Schweiz handelte. Nicht wahr, Mutter?
– Wie Ihr das wollt, liebe Kinder, erwiderte Betsie.
– Also abgemacht, sagte da der ältere Zermatt, und das Fest beginnt morgen mit der Inbetriebsetzung unserer neuen Anlage…
– Und schließt… womit? ließ sich Ernst vernehmen.
– Mit einem vortrefflichen Schmause zu Ehren des Herrn Wolston…
– Und Ihres Sohnes Ernst, fiel der Genannte ein, denn er verdient eine lobende Anerkennung für seinen Eifer und seine Intelligenz.
– Ihre Lobsprüche sind mir sehr schmeichelhaft, Herr Wolston, entgegnete der junge Mann, ich war aber auch in der besten Schule!«
Am folgenden Tage gegen zehn Uhr Morgens erfolgte die Einweihung des Canals in Gegenwart der beiden, neben dem Wasserfalle versammelten Familien. Das. durch den Stoß des Wassers angetriebene Rad bewegte sich vorschriftsmäßig, die Pumpen arbeiteten tadellos und das Wasser floß in das Sammelbecken ab, das sich binnen anderthalb Stunden füllte. Hierauf wurden die Schützen gezogen und das Wasser strömte auf zweihundert Toisen hin durch die neue Rohrleitung.
Alle begaben sich nach deren Endpunkte und klatschten in die Hände, als die ersten Wasserfäden sich in dem frei liegenden Graben hinschlängelten. Nachdem Ernst hier eine kleine Boje hineingeworfen hatte, bestiegen alle den hier bereit gehaltenen Wagen und fuhren nach dem
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