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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Jack, wenn Sie jetzt gerade dieses arme Thier tödteten!
    – Annah hat recht, ließ Ernst sich vernehmen.
    – Immer recht, erwiderte Jack, und ich verspreche hiermit, niemals auf einen Albatros zu schießen, ehe nicht der Bote vom Rauchenden Felsen wieder aufgefunden worden ist.
    – Soll ich Ihnen sagen, fuhr Annah fort, was ich mir denke?
    – Ei natürlich, ich bitte darum, sagte Jack.
    – Nun, ich denke, daß wir diesen Albatros noch eines Tages wiedersehen dürften…
    – Freilich, freilich, weil ich ihn nicht getödtet haben werde!«
    Gegen neun Uhr befand sich die Pinasse der Bodensenke, die durch das plötzliche Zurückweichen des Steilufers nach dem Innern zu gebildet wurde, schon fast gegenüber. Der Kamm der Küste begann sich zu erniedrigen. Weniger steile Wände verbanden diese mit dem Sande des äußeren Strandes, dafür lagen im Wasser desto mehr Klippen, die zuweilen bis auf zwei Kabellängen weit hinausreichten. Die »Elisabeth« näherte sich dem Lande mit größter Vorsicht. Ueber den Bug hinausgebeugt, beobachtete Wolston aufmerksam das Wasser jeden verdächtigen Wirbel darin und jede Veränderung seiner Farbe, kurz, alles was die Nähe einer Klippe vermuthen ließ.
    »Sapperment, rief da plötzlich Jack, nun soll wenigstens niemand mehr sagen, daß die Küste hier verlassen sei! Da drüben sieht man ja merkwürdige Gestalten in großer Zahl!«
    Alle wandten den Blick nach dem Strande und den Felsen dahinter, wo Jacks scharfes Auge lebende Wesen in großer Menge erkannt haben wollte.
    »Erkläre Dich doch deutlicher, sagte seine Mutter. Du siehst dort Menschen… vielleicht Wilde…?«
    Frau Zermatt verstand darunter Angehörige der grausamen indo-malaiischen Urbevölkerung, die sie mit Recht ernstlich fürchtete.
    – Nun, so antworte doch, Jack, drängte sein Vater.
    – Beruhigt Euch, beruhigt Euch nur! rief Jack. Von menschlichen Wesen hab’ ich ja nicht gesprochen. Wenn die da drüben zwei Beine haben, so haben sie doch auch Federn!
    – Also sind es wohl Fettgänse? fragte Ernst.
    – Oder Pinguine… wie Du willst.
    – Darin kann man sich täuschen, Jack, antwortete Ernst, weil beide Vogelarten in der Ordnung der Schwimmpsötter einander sehr nahe stehen.
    – Sagen wir also, um Euch unter einen Hut zu bringen, bemerkte der ältere Zermatt, sie gehören beide zu den Gänsen… ein Name, der sich durch ihre Beschränktheit genügend rechtfertigt.
    – Und gerade deshalb hat man sie zuweilen für Menschen angesehen, bemerkte Jack.
    – Sie Spottvogel! rief ihm Annah zu.
    – O, nur aus größerer Ferne, setzte der ältere Zermatt hinzu. Betrachtet nur ihren von weißen Federn umgebenen Hals. die kurzen Flügel, die wie kleine Arme herabhängen, ihren aufrecht stehenden Kopf, ihre schwarzen Füße und die schnurgeraden Reihen, die sie gewöhnlich bilden. Man glaubt da, eine Truppe in Uniform vor sich zu sehen. Erinnert Ihr Euch, Kinder, wie zahlreich diese Fettgänse früher auf den Felsen an der Mündung des Schakalbaches vorkamen?
    – Gewiß, versicherte Ernst; ich seh’ es auch noch heute, wie Jack sich mitten unter die Gesellschaft stürzte, wie er bis zum Gürtel im Wasser stand und so tapfer um sich schlug, daß er ein halbes Dutzend Fettgänse mit dem Stocke erlegte.
    – Ganz richtig, bestätigte Jack; und da ich jener Zeit erst acht Jahre alt war, habe ich später etwa nicht gehalten…
    – Jawohl, Du hast, was Du versprachst, gehalten! bezeugte ihm sein Vater lächelnd. Die Vögel aber, die wir so unfreundlich behandelt hatten, flohen darauf bald die Ufer der Rettungsbucht und haben dann offenbar auf dieser Küstenstrecke Zuflucht gesucht.«
    Ob aus diesem oder einem anderen Grunde, thatsächlich hatten die Pinguine oder Fettgänse, gleich in den ersten Monaten nach Einrichtung der Wohnstätte in Felsenheim, die Ufergebiete der Bucht gänzlich verlassen.
    Bei der Weiterverfolgung des Ufers kam die »Elisabeth« sehr nahe an ausgedehnten Untiefen vorüber, wo bei Tiefebbe die salzigen Essloreszensen auf dem Grunde trocken liegen mußten. Hier fanden von den späteren Colonisten gewiß Hunderte Beschäftigung als Salzarbeiter, und die ganze Bevölkerung konnte dann das so nothwendige Gewürz aus dieser reichen Quelle beziehen.
    Vom Fuße des Steilufers, das mit einem scharfen Winkel endigte, lief noch eine lange, unterseeische Landzunge aus. Die Pinasse mußte sich deshalb auch eine gute halbe Lieue vom Strande entfernt halten. Als sie später wieder nach der Küste zu einbog,

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