Das zweite Zeichen
Perspektiven fotografiert finden würde.
Und wenn er Glück hatte, bekam er sogar eine anständige Tasse Tee.
Er wollte gerade weitergehen, da sah er auf der anderen Straßenseite das Schaufenster eines
Immobilienmaklers. Er hatte immer angenommen, dass diese spezielle Agentur wegen ihres Namens
teuer sein würde. Aber was sollte es er war verzweifelt. Er schlängelte sich durch den völlig
zum Erliegen gekommenen Verkehr und blieb vor dem Fenster von Bowyer Carew stehen. Eine Minute
später drehte er sich wieder um, die Schultern noch ein wenig mehr gebeugt als vorher, und
schlich auf die Brücken zu.
»Und das ist James Carew, von Bowyer Carew.«
James Carew hob sein gut gepolstertes Hinterteil einen Millimeter von seinem gut gepolsterten
Stuhl, schüttelte Rebus die Hand und ließ sich wieder nieder. Während sie einander vorgestellt
wurden, war sein Blick nicht von Rebus' Krawatte gewichen.
»Finlay Andrews«, fuhr Superintendent Watson fort, und Rebus schüttelte eine weitere feste
Freimaurerhand. Er brauchte nicht die geheimen Druckpunkte zu kennen, um einen Freimaurer
einordnen zu können. Schon das Händeschütteln an sich sagte ihm bereits alles. Er dauerte ein
bisschen länger als normal, genau die Zeit, die der andere brauchte, um festzustellen, ob man
selber in der Bruderschaft war oder nicht.
»Mr. Andrews kennen Sie vielleicht. Er hat einen Spielsalon in Duke Terrace. Wie heißt der noch
gleich?« Watson bemühte sich einfach zu sehr zu sehr, Gastgeber zu sein, zu sehr mit diesen
Männern auszukommen, zu sehr, als dass sich irgendwer wohl fühlen könnte.
»Er heißt einfach Finlay's«, half ihm Finlay Andrews und ließ Rebus' Hand los.
»Tommy McCall«, stellte sich der letzte Gast in der mittäglichen Runde selber vor und schüttelte
Rebus kurz und lässig die Hand. Rebus setzte sich lächelnd zu ihnen an den Tisch, dankbar, dass
er endlich sitzen durfte.
»Doch nicht etwa der Bruder von Tony McCall?«, fragte er beiläufig.
»Genau der.« McCall lächelte. »Sie kennen Tony also?«
»Sogar ziemlich gut«, sagte Rebus. Watson wirkte irritiert. »Inspector McCall«, erklärte Rebus,
worauf Watson heftig nickte.
»Also«, sagte Carew und rutschte auf seinem Stuhl hin und her, »was möchten Sie trinken,
Inspector Rebus?«
»Nicht im Dienst, Sir«, sagte Rebus und faltete seine hübsch arrangierte Serviette auseinander.
Als er Carews Gesichtsausdruck bemerkte, lächelte er. »War nur ein Scherz. Ich hätte gern einen
Gin Tonic.«
Alle lächelten. Ein Polizist mit Sinn für Humor, das überraschte die Leute meistens. Sie wären
noch mehr überrascht gewesen, hätten sie gewusst, wie selten Rebus Witze machte. Aber er hatte
das Bedürfnis mitzuspielen, »gesellig« zu sein, wie dieser unselige Ausdruck lautete.
Ein Kellner stand plötzlich neben ihm.
»Noch einen Gin Tonic, Ronald«, sagte Carew zu dem Kellner, der sich verbeugte und verschwand. An
seiner Stelle tauchte ein weiterer Kellner auf und verteilte große in Leder gebundene
Speisekarten. Die dicke Stoffserviette lag schwer auf Rebus' Schoß.
»Wo wohnen Sie, Inspector?« Die Frage kam von Carew. Sein Lächeln schien mehr als nur ein
Lächeln, und Rebus war auf der Hut.
»In Marchmont«, sagte er.
»Ach ja«, begeisterte sich Carew, »das war schon immer eine sehr gute Gegend. Da war in früheren
Zeiten mal ein riesiges Landgut, wussten Sie das?«
»Tatsächlich?«
»Mmm. Wunderbares Viertel.«
»Was James meint«, unterbrach Tommy McCall, »ist, dass die Häuser dort ein paar Kröten wert
sind.«
»Das sind sie auch«, antwortete Carew unwillig. »Sehr günstig gelegen zur Innenstadt, nahe am
Meadows-Park und der Universität...«
»James«, sagte Finlay Andrews warnend, »hör auf, über Geschäfte zu reden.«
»Hab ich das getan?« Carew schien aufrichtig überrascht. Er sah Rebus erneut mit diesem Lächeln
an. »Tut mir Leid.«
»Ich würde das Lendenfilet empfehlen«, sagte Andrews. Als der Kellner wieder an ihren Tisch kam,
um die Bestellung aufzunehmen, bestellte Rebus aus Trotz Seezunge.
Er versuchte, ganz locker zu sein, die anderen Gäste im Lokal nicht anzustarren, nicht die feine
Struktur des Tischtuchs zu erforschen oder die ihm unbekannten Gerätschaften zu untersuchen, die
Fingerschalen, die Stempel auf dem Silberbesteck. Aber andererseits war das eine einmalige
Gelegenheit, oder etwa nicht? Also warum nicht starren? Er starrte, und sah etwa fünfzig wohl
genährte, glückliche Gesichter,
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