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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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war wie der Chablis. »Jeder Fall wird
individuell und gewissenhaft geprüft, soweit ich das weiß, Tommy. Vielleicht weißt du es ja
besser?«
»Nein, nein.« McCall hatte sein erstes Glas Wein ausgetrunken und wollte sich gerade ein zweites
einschränken. »Ich bin sicher, dass das alles ganz korrekt ist.« Er sah Rebus verschwörerisch an.
»Sie werden doch wohl nichts weitererzählen, John?«
»Nein.« Rebus sah zu Andrews, der gerade den letzten Löffel Suppe aß. »Beim Mittagessen sind
meine Ohren immer auf Durchzug gestellt.«
Watson nickte zustimmend.
»Hallo, Finlay.« Ein großer Mann, kräftig gebaut, aber eher muskulös, stand plötzlich am Tisch.
Rebus hatte noch nie einen so teuer aussehenden Anzug gesehen, wie ihn dieser Mann anhatte. Ein
seidig glänzendes Blau, das mit silbrigen Streifen durchzogen war. Das Haar des Mannes war
ebenfalls silbern, obwohl er dem Gesicht nach zu urteilen erst um die vierzig war. Neben ihm, das
heißt beinahe an ihn geschmiegt, stand eine zierliche Orientalin, eher Mädchen als Frau. Sie war
exquisit, und alle am Tisch erhoben sich ehrfürchtig von ihren Plätzen. Der Mann forderte sie mit
einer energischen Bewegung seiner eleganten Hand auf, sitzen zu bleiben. Die Frau senkte die
Augenlider, um sich ihr Entzücken nicht anmerken zu lassen.
»Hallo, Malcolm.« Finlay Andrews deutete auf den Mann. »Das ist Malcolm Lanyon, der Anwalt.« Die
letzten beiden Worte waren überflüssig. Jeder kannte Malcolm Lanyon, den Liebling der
Klatschspalten. Sein sehr auf Publicity bedachter Lebensstil rief entweder Hass oder Neid hervor.
Er verkörperte einerseits all das, was am Anwaltsberuf verabscheuungswürdig war, und war
andererseits so etwas wie eine wandelnde Fernseh-Miniserie. Sein Lebensstil schockierte
gelegentlich die Spießer, befriedigte aber auch ein tiefes Bedürfnis bei den Lesern der
Sonntagsblätter. Er war zudem, dessen war sich Rebus sicher, ein außergewöhnlich guter Anwalt.
Das musste er sein, sonst bestünde sein ganzes Image nur aus Pappmache. Das tat es aber nicht. Es
war fest wie gemauerter Stein.
»Das hier«, sagte Andrews und deutete auf die Männer am Tisch, »sind die Mitglieder von diesem
Ausschuss, von dem ich dir erzählt habe.«
»Ach ja.« Lanyon nickte. »Die Kampagne gegen Drogen. Eine ausgezeichnete Idee,
Superintendent.«
Watson wurde bei diesem Kompliment beinah rot; wobei das Kompliment darin bestand, dass Lanyon
wusste, wer Watson war.
»Finlay«, fuhr Lanyon fort, »du denkst doch an morgen Abend?«
»Steht dick in meinem Terminkalender, Malcolm.«
»Ausgezeichnet.« Lanyon ließ seinen Blick über die Anwesenden gleiten. »Ich würde mich übrigens
freuen, wenn Sie alle kämen. Nur ein kleines Beisammensein bei mir zu Hause. Es gibt keinen
besonderen Anlass, ich hatte bloß Lust, eine Party zu geben. Acht Uhr. Ganz leger.«
Er entfernte sich bereits, einen Arm um die zerbrechliche Taille seiner Begleiterin gelegt. Rebus
schnappte seine letzten Worte auf, die Adresse. Heriot Row. Eine der exklusivsten Straßen in der
New Town.
Das war eine neue Welt. Obwohl er nicht sicher sein konnte, dass die Einladung ernst gemeint war,
war Rebus versucht, sie anzunehmen. So etwas kam vielleicht nur einmal und nie wieder.
Kurz darauf wandte sich das Gespräch endlich der Kampagne selbst zu, und der Kellner brachte noch
mehr Brot.

»Knete«, sagte der nervöse junge Mann, während er einen weiteren Band mit Zeitungen zu dem Tisch
brachte, an dem Holmes stand. »Das regt mich auf. Alle denken nur noch ans Geld. Denen geht's nur
noch darum, mehr zu haben als die anderen. Typen, mit denen ich zur Schule gegangen bin, wussten
schon mit vierzehn, dass sie Banker oder Steuerberater oder Betriebswirte werden wollten. Ihr
Leben war vorbei, bevor es richtig angefangen hatte. Hier ist Mai.«
»Was?« Holmes verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf das andere. Warum hatten die hier keine
Stühle? Er war seit über einer Stunde hier und blätterte die Ausgaben Tag für Tag durch, eine vom
Morgen und eine vom Abend. Seine Finger waren von der Druckerschwärze schon ganz schmutzig. Zu
Anfang hatte noch ab und zu eine Schlagzeile oder ein Bericht über ein Fußballspiel, das er
damals nicht mitbekommen hatte, sein Interesse geweckt. Doch das erlahmte recht bald, und jetzt
war es nur noch reine Routinearbeit. Und was noch schlimmer war, von der ganzen Blätterei taten
ihm bereits die Arme weh.
»Mai«, erklärte der junge Mann.

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