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Dass du ewig denkst an mich

Titel: Dass du ewig denkst an mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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York angekommen, als Bic in der Times die Notiz über den tödlichen Unfall der Kenyons gelesen
hatte. Trotz Opals Protesten waren sie zu der Beerdigung
gegangen. »Opal«, hatte er zu ihr gesagt, »wir unterscheiden
uns doch wie Tag und Nacht von diesen beiden
gitarrespielenden Hippies, an die Lee sich erinnert.«
Es stimmte, sie sahen völlig anders aus. Gleich an dem
Morgen, nachdem sie Lee losgeworden waren, hatten sie
angefangen, ihr Aussehen zu verändern. Bic rasierte sich den
Bart ab und ließ sich das Haar kurz schneiden. Sie hatte ihr
Haar aschblond gefärbt und es zu einem Knoten
zusammengebunden. Beide hatten sie ordentliche Kleider
gekauft, Sachen, in denen sie wie alle anderen aussahen, wie
typische Durchschnittsamerikaner. »Nur für den Fall, daß
irgend jemand in dem Schnellimbiß uns genauer angesehen
hat«, hatte er gesagt. Damals hatte er ihr verboten, ihn jemals
vor anderen Leuten mit Bic anzusprechen, und hatte erklärt, er
würde sie von nun an in der Öffentlichkeit Carla nennen, nach
ihrem richtigen Namen. »Lee hat in diesen zwei Jahren immer
wieder unsere Namen gehört«, hatte er gesagt. »Von nun an bin
ich für jeden, den wir kennenlernen, Reverend Bobby
Hawkins.«
Trotzdem hatte sie die Angst in ihm gespürt, als sie die
Treppe der Kirche hinaufgeeilt waren. Am Ende der Messe, als
der Organist die ersten Noten von ›Amazing Grace‹
angestimmt hatte, hatte er ihr zugeflüstert: »Das ist unser Lied,
das von Lee und mir.« Seine Stimme erhob sich über alle
anderen. Sie saßen auf den äußersten Sitzen ganz am Ende der
Kirchenbänke. Als der Kirchendiener Lees leblose Gestalt an
ihnen vorbeitrug, mußte Opal seine Hand festhalten, um ihn
daran zu hindern, sie auszustrecken und das Mädchen zu
berühren.
    »Bist du fertig?« Seine Stimme klang sarkastisch. Er stand
an der Tür ihrer Suite.
»Ja.« Opal griff nach ihrer Handtasche und trat zu ihm. Sie
mußte ihn beruhigen. Die Spannung in ihm war fast körperlich
zu spüren. Sie legte ihm beide Hände an die Wangen. »Bic,
Liebster. Du mußt dich entspannen«, sagte sie mit
besänftigender Stimme. »Du willst doch einen guten Eindruck
machen, nicht wahr?«
Aber er schien kein Wort davon gehört zu haben. Er
murmelte: »Ich habe immer noch die Macht, dieses kleine
Mädchen fast zu Tode zu erschrecken, nicht wahr?« Und dann
begann er zu schluchzen, ein hartes, trockenes Schluchzen, das
seinen ganzen Körper erzittern ließ. »Herrgott, wie ich sie
liebe.«
12
    Zehn Tage nach der Beerdigung rief Sarah den Psychiater Dr.
Peter Carpenter an. Sie war ihm gelegentlich in Ridgewood
begegnet, er war ihr sympathisch, und die Erkundigungen, die
sie über ihn eingezogen hatte, bestätigten ihren persönlichen
Eindruck. Ihr Chef, Ed Ryan, der Staatsanwalt von Bergen
County, hatte eine besonders hohe Meinung von Carpenter.
»Der Mann ist in Ordnung. Er redet nicht um die Dinge herum.
Ich würde ihm jedes Mitglied meiner eigenen Familie
anvertrauen, und Sie wissen, daß ich damit eine ganze Menge
sage. In diesem Beruf gibt es zu viele schräge Vögel.«
    Sie bat um einen kurzfristigen Termin. »Meine Schwester
gibt sich die Schuld an dem Unfall unserer Eltern«, erklärte sie
und wurde sich bewußt, daß sie das Wort ›Tod‹ vermied. Für
sie war es immer noch keine Tatsache. Den Telefonhörer fest
umklammernd, sagte sie: »Sie hatte jahrelang immer
wiederkehrende Alpträume. Seit einigen Jahren blieben sie aus,
aber seit dem Unfall hat sie sie wieder regelmäßig.«
    Dr. Carpenter erinnerte sich noch genau an Lauries
Entführung. Als sie von den Entführern ausgesetzt worden und
wieder nach Hause zurückgekehrt war, hatte er mit Kollegen
über mögliche Auswirkungen ihres totalen Gedächtnisverlustes
gesprochen. Er war in hohem Maße daran interessiert, die
junge Frau jetzt zu sehen, meinte aber zu Sarah: »Ich glaube, es
wäre klug, zuerst mit Ihnen zu sprechen, ehe ich mir Laurie
ansehe. Ich habe heute nachmittag eine Stunde Zeit.«
    Wie seine Frau oft im Scherz meinte, war Carpenter der
Prototyp des freundlichen Familienarztes: stahlgraues Haar,
rosige Gesichtsfarbe, randlose Brille, gütiger Gesichtsausdruck,
schlanke Figur und genauso alt aussehend, wie er tatsächlich
war, nämlich zweiundfünfzig.
    Seine Praxis war bewußt behaglich eingerichtet: zartgrüne
Wände, grün-weiß gemusterte Vorhänge, ein
Mahagonischreibtisch, Zimmerpflanzen, ein bequemer
bordeauxroter lederner

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