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Dass du ewig denkst an mich

Titel: Dass du ewig denkst an mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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war
gerade vierzig geworden und hatte dichtes, etwas
widerspenstiges braunes Haar mit zahlreichen grauen Strähnen.
Die großen dunkelbraunen Augen, die Humor und Intelligenz
verrieten, ließen das etwas langgeratene Gesicht vergessen.
Sein schlaksiger Körper und seine legere Kleidung verliehen
ihm ein Aussehen, das viele seiner Studentinnen
unwiderstehlich fanden.
    Grant interessierte sich wirklich für seine Studenten. Laurie
war seit ihrem Eintritt in Clinton jedes Jahr in einer seiner
Klassen gewesen. Er kannte ihre Vorgeschichte und war
neugierig gewesen, ob es irgendwelche erkennbaren
Nachwirkungen ihrer Entführung gab. Das einzige Mal, daß
ihm etwas in dieser Hinsicht aufgefallen war, war in seinem
Kurs für kreatives Schreiben gewesen. Laurie war nicht
imstande, eine persönliche Erinnerung zu schreiben. Wenn sie
dagegen Bücher, Autoren und Theaterstücke zu kritisieren
hatte, zeigte sie durchaus Einfühlungsvermögen und
eigenständiges Denken.
    Vor drei Tagen hatte man sie während seinem Unterricht ins
Büro gerufen. Das war am Ende der Unterrichtsstunde
gewesen, und weil ihm Unheil schwante, hatte er sie begleitet.
Als sie über den Campus eilten, hatte sie ihm gesagt, daß ihre
Mutter und ihr Vater zu ihr unterwegs seien, um die Autos zu
tauschen. Sie hatte vergessen, ihr Cabrio zur Inspektion zu
bringen, und war deshalb mit der Limousine ihrer Mutter ins
College zurückgekehrt. »Wahrscheinlich verspäten sie sich
bloß«, hatte sie gesagt, sichtlich, um sich selbst zu beruhigen.
»Meine Mutter sagt, ich mache mir viel zu viele Sorgen um sie.
Aber sie hat sich in letzter Zeit nicht besonders wohl gefühlt,
und Vater ist fast zweiundsiebzig.«
    Dann hatte ihnen der Dekan mit ernster Stimme mitgeteilt,
daß es auf der Route 78 eine Massenkarambolage gegeben
habe.
    Allan Grant fuhr Laurie ins Krankenhaus. Ihre Schwester
Sarah war bereits dort. Grant war Sarah auf einigen CollegeVeranstaltungen begegnet und war immer wieder von der
Fürsorge beeindruckt gewesen, die die junge Staatsanwältin
Laurie gegenüber zeigte.
    Ein Blick auf das Gesicht ihrer Schwester reichte aus, um
Laurie klarzumachen, daß ihre Eltern tot waren. »Meine
Schuld, meine Schuld«, klagte sie immer wieder und schien gar
nicht zu hören, wie Sarah sie unter Tränen eindringlich zu
überzeugen versuchte, daß sie sich nicht die Schuld geben
dürfe.
    Besorgt sah Grant zu, wie ein Kirchendiener Laurie aus der
Kirche trug, Sarah neben ihm. Der Organist begann die
Schlußhymne zu spielen. Die Leichenträger schritten langsam,
von dem Monsignore geführt, den Mittelgang hinunter. Grant
sah, wie sich in der Reihe vor ihm ein Mann aus der
Kirchenbank drängte. »Bitte, entschuldigen Sie. Ich bin Arzt«,
sagte er mit leiser, aber gebieterischer Stimme.
    Irgendein Instinkt veranlaßte Allan Grant dazu, ihm in den
kleinen Raum neben der Vorhalle zu folgen, in den man Laurie
gebracht hatte. Sie lag auf zwei aneinandergeschobenen
Stühlen. Sarah beugte sich mit kreidebleichem Gesicht über
sie.
    »Lassen Sie mich…« Der Arzt tippte Sarah an den Arm.
Laurie regte sich und wimmerte leise.
Der Arzt schob ihre Augenlider hoch, fühlte den Puls. »Sie
    kommt jetzt zu sich, aber man sollte sie nach Hause bringen. In
ihrem Zustand kann sie auf keinen Fall auf den Friedhof
gehen.«
»Ich weiß.«
    Allan sah, wie verzweifelt Sarah sich bemühte, Haltung zu
bewahren. »Sarah«, sagte er. Sie drehte sich zu ihm herum und
schien ihn allem Anschein nach zum erstenmal zu bemerken.
»Sarah, lassen Sie mich mit Laurie zu Ihrem Haus
zurückfahren. Ich kümmere mich um sie.«
    »Oh, würden Sie das tun?« Einen Augenblick lang
veränderte sich ihr Ausdruck, Dankbarkeit trat an die Stelle
von Leid und Sorge. »Ein paar von den Nachbarn sind dort und
richten etwas zu essen, aber Laurie hat großes Vertrauen zu
Ihnen. Sie würden mir einen großen Gefallen tun.«
»› Einst war ich verloren, doch jetzt hat der Herr mich
gefunden…‹ «
    Eine Hand bewegte sich auf sie zu, sie hielt das Messer, das
Messer, von dem Blut tropfte, es durchschnitt die Luft. Ihr
Hemd und ihr Overall waren blutbefleckt. Sie konnte die
klebrige Wärme im Gesicht spüren. Etwas zappelte hilflos zu
ihren Füßen. Das Messer kam…
    Laurie schlug die Augen auf. Sie lag im Bett in ihrem
Zimmer. Es war dunkel. Was war passiert?
Sie erinnerte sich. Die Kirche. Die Särge. Der Gesang.
»Sarah!« rief sie mit schriller Stimme.

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