Dass du ewig denkst an mich
Ballspiel versunken, daß sie sie allem
Anschein nach gar nicht hörte. Schließlich stand das
Kindermädchen auf, lief zu ihr und nahm den Ball entschlossen
an sich. »Ich habe gesagt, du sollst auf dem Spielplatz
bleiben«, schalt sie. »Wenn du dem Ball auf die Straße
nachläufst, könntest du überfahren werden.«
»Das habe ich vergessen.« Das kleine Gesicht wirkte
reumütig und bedrückt, aber als sie sich umdrehte und Laurie
und Justin entdeckte, die sie beobachteten, hellte es sich sofort
wieder auf. Sie rannte auf sie zu: »Gefällt euch mein neuer
Pullover?« fragte sie.
Das Kindermädchen eilte hinter ihr her. »Christy, du darfst
die Leute nicht belästigen.« Sie lächelte entschuldigend.
»Christy meint, alles, was sie anhat, sei schön.«
»Nun, das ist es doch auch«, sagte Laurie. »Wirklich ein
wunderschöner neuer Pullover.«
Wenig später gingen sie zur Klinik zurück. »Jetzt stellen Sie
sich vor«, sagte Justin, »dieses kleine Mädchen würde, in sein
Ballspiel versunken, zu nahe an die Straße laufen, und jemand
würde sie packen, in einen Wagen stecken, mit ihr
verschwinden und sie mißhandeln. Glauben Sie, daß sie sich
Jahre später selbst die Schuld dafür geben sollte?«
Laurie traten die Tränen in die Augen. »Ich habe verstanden,
Doktor.«
»Dann sollten Sie sich selbst ebenso bereitwillig vergeben,
wie Sie der kleinen Christy vergeben würden, wenn ihr heute
etwas passiert wäre, für das sie nichts konnte.«
Sie gingen in Justins Sprechzimmer zurück, und Laurie legte
sich auf die Couch. »Wenn jemand heute das kleine Mädchen
gepackt und in einen Wagen gezerrt hätte…« Sie zögerte.
»Stellen Sie sich vor, was ihr passieren könnte«, schlug
Justin vor.
»Sie wollte nach Hause zurück. Mama würde böse sein, daß
sie zur Straße hinuntergegangen ist. Da gab es einen neuen
Nachbarn mit einem siebzehnjährigen Sohn, der immer viel zu
schnell fuhr. Mama sagte, das kleine Mädchen darf nicht mehr
vorn an der Straße spielen. Sie könnte dort von dem Wagen
angefahren werden. Sie hat das kleine Mädchen so geliebt. Ihr
Wunder nannte sie sie.«
»Aber die Leute wollten sie nicht nach Hause
zurückbringen?«
»Nein, sie sind gefahren, gefahren und immer
weitergefahren. Sie hat geweint, und die Frau hat sie
geschlagen und gesagt, sie solle still sein. Der Mann mit den
haarigen Armen hat sie sich auf den Schoß gesetzt.« Lauries
Hände ballten sich zu Fäusten und öffneten sich dann wieder.
Justin beobachtete, wie sie mit beiden Händen ihre Schultern
umklammerte. »Sie sagten dem kleinen Mädchen, es solle aus
dem Wagen steigen. Es ist so kalt. Sie muß auf die Toilette,
aber er will ein Bild von ihr machen, und deshalb zwingt er sie,
sich neben den Baum zu stellen.«
»Das Bild, das Sie zerfetzt haben. Es hat Sie daran erinnert,
nicht wahr?«
»Ja. Ja.«
»Und dann mußte das kleine Mädchen bei ihm bleiben … Sie
mußten bei ihm bleiben…«
»Er hat mich vergewaltigt!« schrie Laurie. »Ich wußte nie,
wann es passieren würde, aber jedesmal, nachdem wir auf dem
Schaukelstuhl diese Lieder gesungen haben, hat er mich mit
nach oben genommen. Jedesmal. Jedesmal. Er hat mir so weh
getan.«
Justin beugte sich über die schluchzende junge Frau und
tröstete sie.
»Er war so groß. Ich versuchte mich gegen ihn zu wehren,
aber ich konnte ihn nicht daran hindern«, kreischte sie. »Ich
konnte ihn nicht daran hindern!«
Das war der Augenblick, um die Frage zu stellen. »War Opal
dort?«
»Sie ist seine Frau.«
Laurie stöhnte auf und biß sich auf die Unterlippe. Ihre
Augen verengten sich.
»Doktor, ich habe Ihnen gesagt, daß das ein verbotenes Wort
ist.« Auch heute wollte der neunjährige Junge nicht zulassen,
daß weitere Erinnerungen herauskamen.
100
Am 17. August führte Gregg Laurie zum Abendessen und ins
Theater aus, während Sarah und Brendon zum Flughafen
Newark fuhren. Sie trafen um 20 Uhr 55 ein. »Das ist ungefähr
die Zeit, zu der Karen Grant und Anne Webster in der Nacht, in
der Allan Grant starb, hierherkamen«, erklärte Moody Sarah,
als sie auf den Parkplatz fuhren. »Das Flugzeug, mit dem ihre
Kundin kam, hatte sich um mehr als drei Stunden verspätet,
genauso wie eine ganze Menge anderer Flugzeuge an jenem
Abend. Das bedeutet, daß der Parkplatz ziemlich überfüllt
gewesen sein mußte. Anne Webster sagte, sie hätten bis zum
Terminal ein ziemliches Stück Weges zu gehen gehabt.«
Er parkte bewußt ganz hinten am Parkplatz. »Bis zur
Abfertigungshalle
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