Dass du ewig denkst an mich
dampfender Pasta,
die gerade aus der Küche gebracht wurde, hob Sarahs
Stimmung. »Ich weiß, was ich will, Lou.«
»Spargel vinaigrette, Linguine mit weißer Muschelsoße,
Pellegrino, ein Glas Wein«, leierte er herunter.
»Sie haben’s erfaßt.«
Sie griff in den Brotkorb und nahm sich ein warmes
knuspriges Brötchen. Als ihr Spargel kam, setzte sich jemand
an den kleinen Tisch zu ihrer Linken. Sie hörte, wie eine
bekannte Stimme sagte: »Ausgezeichnet, Lou. Danke. Ich bin
am Verhungern.«
Sarah blickte auf und sah in das überraschte und dann
sichtlich erfreute Gesicht von Dr. Donnelly.
22
Rutland Garrison war achtundsiebzig Jahre alt und hatte von
Kindesbeinen an gewußt, daß er zum Predigeramt berufen war.
1947 hatte er bereits die enorme Reichweite des Fernsehens
erkannt und daraufhin den Sender Dumont in New York dazu
überredet, am Sonntagmorgen für eine religiöse Sendung unter
dem Titel ›Welle Gottes‹ Zeit einzuräumen. Seit damals hatte
er das Wort des Herrn ohne Unterbrechung gepredigt.
Jetzt begannen seine Kräfte nachzulassen, und sein Arzt
hatte ihm geraten, unverzüglich in den Ruhestand zu treten.
»Sie haben zu Ihren Lebzeiten so viel wie ein Dutzend Männer
geleistet, Reverend Garrison«, hatte er gesagt. »Sie haben ein
Bibel-College, ein Krankenhaus, Pflege- und Seniorenheime
errichtet. Jetzt sollten Sie sich selbst Gutes tun.«
Keiner wußte so gut wie Garrison, wie leicht es war, riesige
Summen von einer guten Sache in habgierige Taschen
abzuzweigen. Er wollte nicht, daß sein Predigeramt jemandem
dieser Sorte in die Hände fiel.
Er wußte auch, daß ein Fernsehprediger dem Wesen des
Amtes nach jemand sein mußte, der seine Herde nicht nur
inspirieren und führen konnte, nein, er mußte auch in der Lage
sein, eine gute Predigt zu halten, die begeisterte.
»Wir müssen einen Mann mit Schauspieltalent wählen, aber
keineswegs einen Schauspieler«, warnte Garrison die
Mitglieder des Beirates der ›Welle Gottes‹. Dennoch beschloß
der Rat Ende Oktober, nachdem Reverend Bobby Hawkins
zum dritten Mal als Gastprediger aufgetreten war, ihm den
Platz auf der Kanzel anzubieten.
Garrison verfügte über das Vetorecht und konnte damit
Entscheidungen des Beirates umstoßen. »Ich bin mir bei
diesem Mann nicht sicher«, erklärte er den Ratsmitgliedern
ärgerlich. »Er hat irgend etwas an sich, das mich beunruhigt.
Wir sollten die Entscheidung nicht überstürzen.«
»Er hat etwas Messianisches an sich«, wandte einer von
ihnen ein.
»Der Messias selbst hat uns gewarnt, uns vor falschen
Propheten in acht zu nehmen.« Der verständnisvolle, aber
irgendwie irritierte Ausdruck der Männer um ihn herum verriet
Rutland Garrison, daß sie alle glaubten, seine Einwände
beruhten einzig und allein auf seinem Widerstreben, in den
Ruhestand zu treten. Er stand auf. »Tun Sie, was Sie wollen«,
sagte er müde. »Ich gehe nach Hause.«
In jener Nacht verstarb Reverend Rutland Garrison im
Schlaf.
23
Seit er das letztemal in New York gepredigt hatte, war Bic
reizbar gewesen. »Dieser alte Mann kann mich nicht leiden,
Opal«, sagte er. »Er ist eifersüchtig wegen all der Anrufe und
Briefe, die sie meinetwegen bekommen. Ich habe eines der
Beiratsmitglieder angerufen, weil ich wissen wollte, warum ich
nichts mehr von ihnen gehört habe.«
»Vielleicht ist es besser, wenn wir hier in Georgia bleiben,
Bic«, meinte Opal. Sie saß am Eßtisch, von Stapeln von
Briefumschlägen umgeben. Sie wich seinem finsteren Blick
aus.
»Wie waren diese Woche die Spenden?«
»Sehr gut.« Bic forderte jeden Donnerstag in seiner lokalen
Fernsehsendung und auch bei Kirchenversammlungen zu
Spenden für verschiedene ausländische Wohltätigkeitsvorhaben auf. Opal und er waren die einzigen, die Zugang zu
den Spenden hatten.
»Im Vergleich zu dem, was die ›Welle Gottes‹ einnimmt,
wenn ich spreche, sind sie alles andere als gut.«
Am 28. Oktober kam ein Anruf aus New York. Als Bic den
Hörer auflegte, starrte er Opal an, und sein Gesicht und seine
Augen leuchteten. »Garrison ist letzte Nacht gestorben. Man
hat mich eingeladen, Pastor der ›Welle Gottes‹ zu werden. Sie
wollen, daß wir so bald wie möglich für immer nach New York
kommen. Wir sollen so lange im Wyndham wohnen, bis wir
einen ständigen Wohnsitz gefunden haben.«
Opal wollte schon auf ihn zustürzen, hielt dann aber inne.
Sein Gesichtsausdruck warnte sie; es war besser, ihn jetzt allein
zu
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